„Virtual Reality“-Brille Oculus Rift: Deine Brille geschehe
Endlich ist Oculus Rift da. Aber ehrlich: Wofür taugt die „Virtual Reality“-Brille schon - und für wen? Warum Schwarzseher jetzt still sein sollten.
Es nervt, sich ständig neue Tech-Begriffe und Markennamen merken zu müssen. OneCoin, Locky, 360fly, Pepper... hier rein, da raus. Manchmal jedoch sind sie so bedeutsam, weil revolutionär und bleibend, dass es sinnvoll wäre, sich kurz Zeit zu nehmen, den Namen bewusst einzuprägen, bis er sitzt. Früher oder später muss man ihn sowieso lernen.
Jetzt ist wieder so ein Moment. Also bitte, falls Sie mögen, einfach innehalten und konzentrieren, es sind bloß zwei Wörter, hier kommen sie schon: Oculus Rift.
So heißt die Brille, die einen, sobald auf der Nase, in plastische, virtuelle Realitäten entführt, die man dann durchschreiten und gestalten kann. Statt durchsichtiger Gläser hat der Träger Bildschirme vor den Augen. Es ist ein wenig so, als erlebe man einen 3D-Kinofilm, in dem man die Hauptrolle spielt und die Handlung mitbestimmt. „Virtual Reality“-Brillen wie Oculus Rift gelten als größte Neuerung seit Einführung des iPhones vor neun Jahren. Zur Sicherheit gleich nochmal: Oculus Rift.
Seit 2012 wird an ihr gearbeitet, das Datum der Markteinführung wurde schönefeldesk immer wieder in die Zukunft geschoben. Nun aber ist es soweit. Seit 29. März werden die vorbestellten Brillen ausgeliefert. Kurz zum Briefkasten gehen. Dann Oculus Rift.
Zocken, lernen, krankschreiben
Zunächst erlaubt die Brille, in 30 verschiedene Spielewelten einzutauchen. Doch auch ernsthafte Anwendungen sind geplant. Facebook-Chef Mark Zuckerberg, der Oculus Rift aufgekauft hat, verspricht Arzt- und Hochschulbesuche im virtuellen Raum. Natürlich gibt es kritische Stimmen. Da sind Experten, die behaupten, Oculus Rift brauche kein Mensch, Oculus Rift verschwinde wieder. Aber soll man das glauben?
Kleiner Blick ins Archiv. Als 2007 das iPhone auf den Markt kam, hielten es viele Kenner für teuren Schnickschnack. Die „Süddeutsche Zeitung“ wählte das Gerät, noch bevor man es überhaupt kaufen konnte, auf Platz zwei der meistüberschätzten Produkte.
Die „FAZ“ titelte: „Das iPhone bleibt ein Nischenprodukt“, und im „Spiegel“ unkte die US-amerikanische IT-Expertin Molly Wood, die Erfolgschancen des neuen Geräts seien doch eher gering: „Mir scheint, dass es technisch ein kompliziertes Gerät ist... Das Display nimmt praktisch die gesamte Oberfläche ein. Es könnte permanent mit Fingerabdrücken bedeckt sein, es könnte leicht zerbrechen.“
Fortschrittsgläubiges Staunen
Der Fairness halber sollte an dieser Stelle auch eine blamable Fehleinschätzung des Tagesspiegels zitiert werden, allein: Es gibt sie nicht. Ehrenwort. Stattdessen viel Lob und fortschrittsgläubiges Staunen. Aus heutiger Sicht klingt das putzig. Zum Beispiel: „Der eingebaute Bewegungssensor erwies sich im Test als praktisch. Dreht der Anwender das Gerät beim Anzeigen von Fotos oder Abspielen von Videos um 90 Grad, so wechselt die Darstellung auf dem Display automatisch vom Hoch- zum Querformat.“ Man kann sich kaum vorstellen, dass eine solche Banalität vor neun Jahren zwei ganze Sätze wert war. Wie selbstverständlich wird einem in neun Jahren wohl Oculus Rift erscheinen?
Kritiker warnen, die Brille könne ihren Träger sozial isolieren. Auch das hat Tradition. Neue Technologien werden gern als Ursache oder zumindest Symptom gesellschaftlicher Fehlentwicklungen gedeutet. Als der „Spiegel“ im Juni 1981 über den Siegeszug des Walkmans berichtete, keilte er gegen eine „Generation, die sich offenbar auf Schritt und Tritt beschallen lassen will“. Und schrieb weiter: „Psychologen befürchten, dass bei dem einsiedlerischen Rückzug auf eine scheinbar von der Umwelt akustisch unverschmutzte Ohrenweide auch die letzten Reste zwischenmenschlicher Kommunikation absterben könnten.“