Terrormagazin "Dabiq": Das Dr.-Sommer-Team des „Islamischen Staats“
Warum müssen alle Feinde sterben? Und wie war Jihadi John so privat? Das IS-Propagandablatt gewährt erschreckende Einblicke ins Weltbild der Terrormiliz.
Der Mann, der als Jihadi John bekannt wurde, hat nicht nur gern Menschen vor laufender Kamera geköpft, er war auch passionierter Zoogänger. Immer wenn einer seiner Terror-Kollegen vom sogenannten „Islamischen Staat“ im Kampf starb, nahm Jihadi John dessen Kinder (genauer gesagt: dessen Söhne, denn die Töchter müssen zu Hause bleiben) und ging mit ihnen Tiere gucken.
So jedenfalls steht es auf Seite 23 der neuesten Ausgabe des Propaganda-Magazins „Dabiq“, das der IS diese Woche ins Internet gestellt hat. In einem ausführlichen Nachruf wird der kürzlich durch eine amerikanische Drohne ausgeschaltete IS-Henker als liebenswürdig und äußerst großzügig beschrieben.
Zum Beispiel habe er seine gerade erst erhaltene „Konkubine“ – gemeint ist eine Sexsklavin – ohne zu zögern an einen verwundeten, alleinstehenden Terroristen weitergereicht. Das ist vom Verfasser des Artikels keineswegs zynisch gemeint. Seit Juli 2014 veröffentlicht die Terrormiliz alle paar Wochen eine neue „Dabiq“-Ausgabe, bei der aktuellen handelt es sich bereits um Nummer 13. Sie ist wie immer auf Englisch verfasst, hat 56 Seiten und lässt sich kostenlos als PDF herunterladen. Vielleicht lohnt ja die Lektüre?
Erster Eindruck beim Durchblättern: „Dabiq“ ist eine verstörende Mischung aus blutrünstiger Kampfschrift, Glamour-Klatschblatt und AOK-Kundenmagazin. Da werden einzelne Dschihadisten wie Celebrities gefeiert, Tipps für ein gottgefälliges Leben im Kalifat gegeben.
Böse Worte über Rivalen, Gegner und den ganzen Rest
Ständig wird gelästert und beleidigt. Der britische Inlandsgeheimdienst MI5 sei „stark überbewertet“, heißt es da. Die Taliban seien keine guten Muslime, weil sie die Scharia kaum befolgten. Al-Qaida bringe es einfach nicht. Hindus seien dumm, weil sie Kühe anbeteten. Juden und Christen müssten sowieso sterben.
Themenschwerpunkt der Ausgabe ist allerdings die Frage, warum auch mehr als 100 Millionen Muslime schnellstmöglich getötet werden sollten – nämlich alle, die der schiitischen Glaubensrichtung angehören. Dazu werden Experten konsultiert, Koranstellen angeführt. Im Prinzip läuft es darauf hinaus, dass Schiiten verkappte Juden seien.
Und dass sich sämtliche Schiiten eines Tages gemeinsam mit Israel hinter dem Daddschal (einer mystischen Kreatur auf einem weißen Esel, vergleichbar mit dem Antichristen) versammeln würden, um dann die übrigen Muslime zu vernichten. Besser also, man rotte möglichst viele von ihnen vorher aus.
Mit jeder weiteren Seite erschrickt man ein Stück mehr über das Weltbild des IS. Und im Gegensatz zu den Youtube-Videos, auf denen die Terroristen ihre Hinrichtungen dokumentieren, bekommt man beim Lesen nicht das Gefühl, dass hier womöglich tumbe, fehlgeleitete Jungmänner am Werk sind, die nicht genug nachgedacht haben. Die Autoren des Online-Magazins haben offenkundig sehr viel nachgedacht. Und das ist besonders gruselig.
Lebenshilfe für Dschihad-Witwen
Das Layout von „Dabiq“ erinnert an eine ambitionierte Studentenzeitschrift. Die Bilder sind mit Weichzeichner oder anderem Photoshop-Schnickschnack bearbeitet. Es gibt wiederkehrende Elemente. Zum Beispiel die Rubrik „An unsere Schwestern“, die weiblichen Lesern praktische Lebenshilfetipps gibt. Hier schreibt das Dr. Sommer-Team des globalen Terrors. Dieses Mal wird erklärt, wie Witwen getöteter Dschihadisten korrekt trauern.
So viel Realitätssinn immerhin haben die Terroristen: Sie räumen ein, dass derzeit eigene Kämpfer in großer Zahl ums Leben kommen – weil der IS in Syrien wie im Irak eine militärische Niederlage nach der anderen erleidet. Dabiq 14 ist trotzdem schon in Planung.