Jeremy Corbyn, möglicher Labour-Chef: Dauerrebell mit Freunden in Venezuela und bei der Hamas
Ein Gespenst geht um auf der Insel: Jeremy Corbyn, für britische Verhältnisse ein Ultralinker, könnte neuer Labour-Chef werden. Ein Porträt.
Schuldenerlass für Griechenland „und andere Länder, die es brauchen“, ist nur eine der vielen Forderungen, mit denen Jeremy Corbyn, 66-jähriger Kandidat für das vakante Amt des britischen Labourchefs, die Welt in Ordnung bringen will. So wie er das mit hart linken Ansichten tut, seit er 1983 ins Unterhaus einzog, um für Gerechtigkeit, Sozialismus und Menschenrechte in der ganzen Welt zu kämpfen.
Für ihn erfüllt die EU ohnehin nur „die Bedürfnisse der Großunternehmen“, wie er im TTIP-Handelsabkommen die „Kapitulation vor gierigen Bankern“ sieht. Corbyn, wie viele linke Europagegner nun von Bewunderung für Syriza und Wut über die Behandlung Griechenlands befeuert, empfiehlt das Ende des Sparens, höhere Steuern für Reiche, intensiven Dialog „mit unseren Freunden von Hamas und Hisbollah“, sympathisiert mit südamerikanischen Revolutionsbewegungen nicht zuletzt in Venezuela und ist für Verhandlungen mit Argentinien über die Souveränität der Falklandinseln. Selbstverständlich ist er für atomare Abrüstung und die Verstaatlichung der Eisenbahnen.
Es war eine Überraschung, als der Außenseiter im Mai seine Kandidatur ankündigte. Ein Hinterbänkler, der Jahrzehnte an der Peripherie operierte, geschnitten von der eigenen Parteiführung, ein Dauerrebell, der bei einem Viertel aller Abstimmungen gegen die eigene Fraktion stimmte. Berühmt wurde er 1983, als er den damals als Terrorist verfemten irischen Freiheitskämpfer Gerry Adams in sein Unterhausbüro einlud.
Jeremy Corbyn hat die Gewerkschaften hinter sich
Nun sorgt Corbyn erst recht für eine Überraschung: Mit dezidiertem Anti-Establishment-, Anti-Westminister-, Anti-Blair-Flair ist er auf dem besten Wege, sehr zum Schrecken des früheren Premiers und Labourchefs Tony Blair, die Abstimmung um die Parteiführung zu gewinnen – und Labour ins Chaos und in den inneren Bürgerkrieg zu stürzen.
Mit seiner konsequent linken Haltung brachte Corbyn die Gewerkschaften auf der Insel hinter sich. Bei den Mitgliedern liegt er Umfragen zufolge vorn. „Er ist ein Todesstern, der die ganze Parteidebatte nach links zieht“, zitiert des konservative Magazin „Spectator“ einen verzweifelten, aber ungenannten Labour-Insider.
Nun sieht der „Daily Telegraph“, das Leibblatt der Tory-Rechten, eine Gelegenheit: Er gibt seinen Lesern Anweisung, wie man für drei Pfund Mitglied der Labour-Partei werden und an der Wahl teilnehmen kann. „Helfen Sie, dass der bärtige sozialistische Wählerschreck gewinnt und Labour zerstört.“