Debatte um Bund-Länder-Finanzen: Das Transfertheater hat begonnen
Der Solidarpakt läuft aus, aber die Bundesländer möchten zusätzliche Mittel gern über 2019 hinaus. Thüringens Ministerpräsidentin Lieberknecht fordert dafür einen "Deutschlandsfonds". Der Finanzausgleich würde damit ausgeweitet. Am Ende könnten höhere Steuern kommen.
Im Herbst wird es losgehen. Dann müssen Bund und Länder beginnen, ihre Finanzbeziehungen neu zu regeln. Zwar läuft der Solidarpakt erst im Jahr 2019 endgültig aus (die Mittel, die Richtung Osten fließen, werden freilich vorher schon deutlich abgeschmolzen). Aber eine große Finanzreform, ein neuer Finanzausgleich – das braucht eine gewisse Zeit. Und man muss planen können. 2016, sagen Fachleute, muss die Vereinbarung stehen. Auf der Beamtenebene laufen die Gespräche längst. Bald ist die Politik dran.
Insofern ist es kein Sommertheater, wenn nun eine ganze Reihe von Regierungschefs aus den Ländern mit Forderungen kommt. Es geht um die Form des Finanzausgleichs, um die Fortführung des Solidarzuschlags auf die Einkommensteuer, um die Schuldenbremse. Die Länder sind recht einmütig der Meinung, dass das bisherige Finanzvolumen (also einschließlich der Solidarpaktmittel) der Gesamtheit der Länder auch künftig zur Verfügung stehen müsse. Das geht aber nur, wenn entweder der Bund auf einen Teil der Steuereinnahmen verzichtet oder aber der „Soli“ bleibt und die Mittel neu verteilt werden. Letzteres steckt hinter der Vorstellung eines „Deutschlandfonds“, wie ihn jetzt die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht vorgeschlagen hat. Aus ihm sollen die Mittel „nach Bedarf“ fließen, ohne Rücksicht auf die Himmelsrichtung – was nichts anderes heißt als: aus den starken Regionen im Süden in die schwächeren im Westen, Norden, Osten. Und zwar zusätzlich zum Finanzausgleich unter den Ländern. Eine zweite Schiene des Transfers, ob nun zwischen den Ländern oder über die Bundesebene. Eine Ausweitung also. Und zwar dauerhaft, im Gegensatz zu der Sonderfallförderung im Solidarpakt.
Die „Schwachländer“, darunter Berlin, mit ihren unterdurchschnittlichen eigenen Steuereinnahmen fürchten natürlich, dass der Bund Druck aufbauen wird, um sich selbst mehr von dem „Soli“-Kuchen abzuschneiden. Er hat wegen der weltweiten Finanzkrise, der Euro-Stützung und der Bankenrettung selbst erhebliche Schuldenprobleme und dürfte nicht geneigt sein, die Milliarden einfach so an die Länder abzutreten.
Die Länder argumentieren dagegen vor allem mit der Schuldenbremse, die ihnen via Grundgesetz auferlegt wurde (mit ihrer eigenen Zustimmung natürlich, aber eben per Bundesgesetz). Es fällt schon seit einiger Zeit auf, wie häufig die Ministerpräsidenten jedenfalls der finanzschwachen Länder in praktisch allen geldrelevanten Debatten diese Schuldenbremse als Argument anführen, um mehr Mittel für ihre Etats zu fordern. Auch die Kürzungen etwa bei der Beamtenbesoldung werden gern mit der Schuldenbremse begründet, wie aktuell etwa in Nordrhein-Westfalen (wo die Haushaltskonsolidierung freilich nicht allein wegen der Schuldengrenze nötig ist, sondern vor allem wegen der Lasten aus dem selbst verschuldeten Landesbankdebakel). Täuscht der Eindruck, dass einige Ministerpräsidenten, vorneweg Hannelore Kraft in Düsseldorf, die Schuldenbremse lockern oder sogar abschaffen wollen, um mehr Luft im Haushalt zu bekommen? Um also wieder mehr Schulden machen zu können? Man wird da wohl den Wahltag im September abwarten müssen.
Die Restriktionen der Schuldenbremse, der Deutschlandsfonds, die Verstetigung der Solidarpaktmittel – hier baut sich eine „Forderkulisse“ auf, die letztlich auf eine Steuererhöhungspolitik hinausläuft. Die Begründungen dafür werden natürlich in freundliche Floskeln gehüllt – mehr Geld für Bildung, mehr Geld für marode Brücken, mehr Geld für Soziales. Aber letztlich geht es darum, die nötige Haushaltskonsolidierung zu strecken. Darum geht es bei der von Landespolitikern begonnenen Debatte. Den Parteiführungen werden die Forderungen im Wahlkampf nicht behagen. Die Union will das Thema am liebsten ausschweigen, bei SPD und Grünen soll es nur um „gerechte“ Steuererhöhungen für Besserverdiener gehen. Aber man sollte sich nicht wundern, wenn am Ende mehr kommt. Vermutlich darf man schon froh sein, wenn es „nur“ bei der Verewigung des Soli-Zuschlags bleibt.
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