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Brandenburger Tor im Lichterglanz.
© dpa

Kosten und Schulden: Berlin zwischen Kaputtsparen und Verschwendung

Aus dem Ruder laufende Großprojekte wie die niemals endende Geschichte um den BER, dazu Schulden, und überhaupt bekommt Berlin auch viel zu viel Geld aus dem Länderfinanzausgleich, plärren die aus dem Süden. Ganz so einfach ist es aber nicht, wenn man genauer hinschaut.

Es ist ein Jammer. Da ist Berlin nun deutsche Hauptstadt, die gesamtdeutsche Kapitale. Auf einer Stufe wähnt es sich mit London, Paris, Tokio. Und dann stehen auch in internationalen Blättern Geschichten wie die vom Flughafen BER. Fast jeden Tag liest man über Projekte, die irgendwie aus dem Ruder zu laufen scheinen, von zusätzlichem Investitionsbedarf, siehe Charité, von Kosten, Kosten, Kosten. Eine Landesbibliothek würde der Senat gern bauen, aber kann er das noch? Schließlich hat man vor allem Schulden, Schulden, Schulden. Und dann plärren sie in Hessen und Bayern, Berlin bekomme zu viel aus dem Länderfinanzausgleich. Man ist Hauptstadt, alle kommen gerne, viele bleiben gern, aber man ist nicht wirklich und nicht überall geliebt als Hauptstadt. Weil man sich Hauptstädte eben gern als reich und mächtig vorstellt und nicht als Fass ohne Boden. Schaut auf diese Stadt? Da lautet die Antwort anderswo in Deutschland heute nicht selten: Oh je.

Aber wo steht nun Berlin finanziell, im Länderkreis, als Hauptstadt? Nimmt man den Schnitt der west- und süddeutschen Flächenländer (wo das Geld herkommt) als Maßstab, liegt das Ausgabevolumen Berlins derzeit pro Kopf bei etwa 140 Prozent, dank Finanzausgleich, dank Bundeszuschüssen, dank Solidarpakt, dank Stadtstaatenprivileg. Der Osten kommt auf etwa 120 Prozent, Bayern liegt bei 104 Prozent, Rheinland-Pfalz bei 94 Prozent. Das Berliner Niveau wirkt da üppig und verleitet möglicherweise zu Leichtsinn. Allerdings wird dieser Vorteil rapide schwinden. 2020 werden es in Berlin nach Prognosen nur noch 126 Prozent sein.

Gleichzeitig ist der Schuldenstand noch immer erschreckend hoch. Er liegt bei 60 Prozent, gemessen an der eigenen, regionalen Wirtschaftskraft. Schlechter steht nur Bremen da. In Bayern liegt die Landesschuld bei knapp zehn Prozent der eigenen Wirtschaftskraft, in Brandenburg bei 40 Prozent. Nimmt man die Bundesschuld hinzu, die jeder Berliner zu tragen hat, dann landet man bei über 110 Prozent –also da, wo etwa Irland steht. Ab 90 Prozent, sagen Ökonomen, würgen Staatsschulden das Wachstum ab. Aus eigener Kraft könnte die Stadt sich von dieser Schuldenlast wohl nicht befreien.

Die Zeiten aber, da man auf eine Art Teilentschuldung hoffen konnte, sind vorbei. Vor der Finanzkrise durfte Berlin erwarten, dass es am Ende der laufenden Konsolidierungsphase quasi als Belohnung von einem Teil der Schulden erlöst wird. Selbst Ministerpräsidenten von Zahlerländern waren da aufgeschlossen. Das ist mittlerweile ein geplatzter Traum. Auch der Bund wird als großer Hauptstadtretter ausfallen, denn dessen Schulden sind noch drückender als die der Länder. Bei denen die Pensions- und Zinslasten zunehmend zum Problem werden, jedenfalls bei den schwächeren. Berlin wird 2020 dafür pro Kopf wohl 50 Prozent mehr ausgeben müssen als etwa Baden-Württemberg und mehr als das Doppelte der umliegenden ostdeutschen Länder. In der Standortkonkurrenz ist das ein Nachteil.

Selbst bei einem einigermaßen positiven Verlauf der kommenden Finanzverhandlungen zwischen Bund und Ländern wird die Situation für Berlin also nicht besser werden. Das bedeutet, dass man sich auch von den letzten Illusionen lösen muss, die mit dem Hauptstadtstatus zusammenhängen. Dieser Illusionen wegen waren schon die 90er Jahre ein verlorenes Jahrzehnt. Zu lange glaubten die Verantwortlichen (nicht nur in der Politik), nun beginne ein rosiges neues Zeitalter, nun würden Wunden, von der Geschichte geschlagen, schnell geheilt. Der Hauptstadtstatus wurde ins Grundgesetz geschrieben – weil man davon mehr Geldströme erwartete. Sie werden aber im erwünschten Maß nicht kommen.

Daran ändert auch nichts, dass die Politik in Berlin vor einigen Jahren aufgewacht ist und seither eine vernünftige Konsolidierungspolitik eingeleitet hat. Zudem sind strikte Sparkurse nicht ewig durchzuhalten, es muss und soll auch investiert werden. Es kommt somit darauf an, den richtigen Weg zwischen Kaputtsparen und Verschwendung zu finden. Das ist eine echte Herausforderung für eine Landespolitik, die zu lange in Illusionen verfangen war.

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