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Autor Matthias Kalle.
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Mediendebatte: Das Fernsehen gehört nicht der Unterschicht

Nicht die Einschaltquote, sondern Programmdirektoren bestimmen, was im Fernsehen läuft und was nicht. Aber: Was nicht ausgestrahlt wird, kann auch nicht erfolgreich sein. Was brauchen wir? Eindeutig mehr Mut.

Nach allem, was ich jetzt so weiß, halte ich Joachim Kosack für ungeeignet. Sie nicht? Weil Sie den Mann gar nicht kennen? Verstehe, also: Kosack ist seit 2011 alleiniger Geschäftsführer des privaten Fernsehsenders Sat. 1 (Sat. 1 kennen Sie aber schon, oder? Wenigstens von früher?) Er ist verantwortlich dafür, dass am 3. Mai die letzte Folge der „Harald Schmidt Show“ ausgestrahlt wird, und zwar nur er, er alleine. Wenn Sie in den vergangenen Tagen in diesem Zusammenhang das Wort „Quote“ gelesen haben, dann vergessen Sie das bitte ganz schnell. Die Quote kann keine Sendungen absetzen, Sendungen absetzen können nur Menschen.

Kosack gilt in der Branche als Mann vom Fach, eine nichtsahnende Kollegin nannte ihn einmal einen „Dickbrettbohrer“ - vielleicht gibt er ihr dafür eine Comedy-Show, die Leute beim Fernsehen sind ja unberechenbar. Kosack selbst ist so unberechenbar, dass er dem deutschen Fernsehen folgende Geschenke gemacht hat: Er war unter anderem verantwortlich für „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, „Hinter Gittern“, „Bianca – Wege zum Glück“, „Anna und die Liebe“ und „Die Wanderhure“. In den 80er Jahren gehörte er zum Ensemble der Kabarett-Gruppe „Die Küchenschaben“, Anfang der 90er Jahre war er Oberspielleiter am Landestheater Coburg.

Es soll jetzt an dieser Stelle nicht darum gehen, ob Harald Schmidt gut oder schlecht war, wie lange er gut war und wann er schlecht wurde – da sollen Kollegen anderer Medien Quatsch drüber schreiben, außerdem ist dem aufmerksamen Tagesspiegel-Leser meine Meinung zum Wirken Harald Schmidts geläufig. Es soll an dieser Stelle darum gehen, das ich nicht will, dass jemand wie Joachim Kosack darüber bestimmt, was im Fernsehen als erfolgreich und sendungsfähig gilt – und was abgesetzt gehört.

Warum ich das nicht will? Weil ich nicht will, dass das Fernsehen durch seine Inhalte und durch seine Entscheidungen eine Gruppe der Gesellschaft ausschließt, nur weil das Fernsehen glaubt, diese Gruppe eh nicht mehr erreichen zu können. Anders: Das Fernsehen gehört nicht der Unterschicht – der Bildungsbürger möchte vielleicht auch einmal den Fernseher anmachen, weil er im Grunde genommen gar nichts gegen die Idee des Fernsehens hat – die Leute aber, die beim Fernsehen das Sagen haben, wollen den Bildungsbürger nicht als Zuschauer, anders sind die Personalentscheidungen der Vergangenheit nicht zu erklären: Das ZDF nimmt den ausgewiesenen Philosophen Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski das „Philosophische Quartett“ weg und gibt die Sendung dem Philosophendarsteller Richard David Precht.

Das ZDF gibt „Wetten, dass...?“ nicht dem Moderationserneurer Klaas Heufer-Umlauf, sondern der Moderationsmaschine Markus Lanz. Charlotte Roche und Jan Böhmermann müssen ihre Neuerfindung der Talkshow in ZDFneo – weitestgehend also unter Ausschluss der Öffentlichkeit – zeigen, anstatt dass man ihnen einen Platz im Muttersender gibt.

Wenn einer so "geldgeil", "unverfroren" und parasitär" ist, dann braucht der unbedingt eine Late-Night-Show.

Die ARD wusste nicht, was sie mit der Jahrhundertserie „Im Angesicht des Verbrechens“ von Dominik Graf machen soll und platzierte sie dermaßen ungeschickt im Programm, dass man schon sehr versiert mit der Fernbedienung sein muss, um die Serie zu finden (Grafs neuen Thriller „Das unsichtbare Mädchen“ zeigt deshalb vorsichtshalber arte am Freitagabend um viertel nach acht.)

Noch findet man Thomas Gottschalk relativ einfach, seine Show kommt montags bis donnerstags um 19.20 Uhr, aber wenn es nach Rolf Müller geht, dann wird sie sofort abgesetzt. Müller ist in der CDU und Mitglied des Hessischen Landtages, 1969 war er deutscher Hochschulmeister im Schwimmen. Er schrieb eine Analyse zum Zustand der deutschen Sprache mit dem Titel „Lieber Handkäs' als Worstcase“ und ist seit zwölf Jahren Vorsitzender des Schwimmvereins Gelnhausen. Und seit 2009 ist der Mann Vorsitzender des Fernseh-Programmauschusses des Hessischen Rundfunks und in dieser Funktion forderte er nun die ARD auf, von einer Ausstiegsklausel Gebrauch zu machen. Dass die Show gerade an Format gewinnt, muss dem Mann auf Grund seiner vielen Verpflichtungen entgangen sein – und selbst wenn: wieso darf jemand wie Rolf Müller bestimmen, was wann im Fernsehen kommt?

Roger Schawisnki darf das zum Glück nicht mehr, der Schweizer war auch mal Chef von Sat. 1, aber: Wer war das nicht? In den 80er Jahren schrieb er ein Buch mit dem Titel „Vergiftet. Wie wir ein Haus bauten, das uns krank machte“ und ich weiß nicht, ob Schawinski inzwischen wieder gesund ist, aber zum Rauswurf von Harald Schmidt sagte er am Donnerstag, Schmidt sei ein „übelster Zyniker“, „geldgeil“, „unverfroren“ und „parasitär“.

Wenn einer so ist, dann müsste der doch unbedingt eine Late-Night-Show kriegen, oder? Aber was weiß ich – ich hab im Fernsehen ja nichts zu sagen.

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