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Er hat's vermasselt.
© dpa

Karl-Theodor zu Guttenberg: Chronik eines gescheiterten Comebacks

Drei Monate lang kokettierte zu Guttenberg mit einer Rückkehr in die Politik bei der Bundestagswahl 2013, jetzt sagte er der CSU ab. Zu wenig Reue hat er angesichts des Plagiats gezeigt. Doch am Ende trickste ihn ein Parteifreund aus.

Seit die Medien sich mit großem Eifer der Kredit-Affäre des Bundespräsidenten Christian Wulff widmen, ist der Name eines anderen, bereits gefallenen politischen Stars fast völlig aus den Schlagzeilen verschwunden. Und so wurde auch die jüngste Volte der Causa zu Guttenberg am Freitag vergangener Woche nur noch mit kleiner Überschrift vermeldet.

Der Plagiator kommt nicht zurück, vorerst. Karl-Theodor zu Guttenberg wird sich bei der Bundestagswahl 2013 nicht um ein Mandat bewerben, auch für das Europaparlament will er ein Jahr später nicht kandidieren. Stattdessen erklärte dieser zehn Monate nach seinem spektakulären Rücktritt in einem Brief an seine Parteifreunde von der CSU, er wolle in aller Ruhe seine Verfehlungen aufarbeiten. Guttenberg will sich vorübergehend völlig aus der Öffentlichkeit zurückziehen und „auf lange Sicht“ nicht öffentlich in Deutschland auftreten. Alle bereits zugesagten Auftritte sagte er zugleich ab.

Das schnelle politische Comeback des CSU-Politikers und ehemaligen Bundesverteidigungsministers ist also gescheitert. Und wenn es noch eines Beweises dafür bedurft hätte, dass der Freiherr zwar ein kongenialer Kommunikator und großer Selbstdarsteller ist, aber allenfalls ein mittelmäßiger Politiker, dass er Menschen für sich einnehmen kann, aber das kleine Einmaleins der Politik nicht beherrscht, dann hat er diesen Beweis in den letzten Wochen eindrücklich erbracht.

Alles hat Guttenberg bei seinem Comeback-Versuch in den letzten Monaten falsch gemacht. Erst hat er im November in dem Interview mit Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo am Kern der gegen ihn im Zusammenhang mit seiner Doktorarbeit erhobenen Vorwürfe vorbeigeredet. Er hat den offenkundigen wissenschaftlichen Betrug geleugnet und Erklärungen präsentiert, die kaum nachvollziehbar waren. Gleichzeitig versuchte zu Guttenberg seine Parteifreunde mit dem Interview zu erpressen, in dem er einerseits die CSU kritisierte und andererseits mit der Gründung eine neuen Partei kokettierte. Doch statt sich damit eine gute Ausgangsposition für eine Rückkehr in die Politik zu verschaffen, stieß er vor allem seine treusten politischen Anhänger zusätzlich vor den Kopf.

Es folgte der zweite Fehler, denn anschließend übernahm zu Guttenberg ziemlich übereifrig in Brüssel einen Job, der sich für die politische Bewährung überhaupt nicht eignet. Von der EU-Kommissarin Neelie Kroes ließ sich zu Guttenberg ausgerechnet als Internetberater engagieren. Zwar war dieser zuvor noch nie als Experte für Netzpolitik in Erscheinung getreten, gleichzeitig waren es unzählige Internetaktivisten, die seine Doktorarbeit vor einem Jahr als Plagiat entlarvt hatten. Trotzdem erklärte zu Guttenberg nun, im Auftrag der EU unterdrückte Blogger in Diktaturen unterstützen und die zuständigen Behörden vernetzten zu wollen.

Kein Wunder, dass zu Guttenberg nun den Spott all derjenigen auf sich zog, die wirklich etwas vom Bloggen verstehen und seit Langem im Stillen den politischen Widerstand gegen diktatorische Regime im Internet unterstützen.

Schnell war Ende vergangenen Jahres also klar geworden, dass ein politisches Comeback nicht so einfach werden würde, wie es sich zu Guttenberg vielleicht vorgestellt hatte. Zu groß war die Skepsis der Öffentlichkeit, zu wenig war zu Guttenberg bereit, Reue zu zeigen, zu wenig Zeit war zudem seit dem Rücktritt vergangen.

Zu Guttenberg tappt Seehofer in die Falle.

Zu guter Letzt tappte zu Guttenberg dann auch noch dem CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer in die Falle. Anders als zu Guttenberg ist Seehofer mit allen Tricks des politischen Gewerbes vertraut. Er hat kämpfen, tricksen und intrigieren gelernt. Er weiß mit theatralisch vorgetragener Empörung genauso zu spielen wie mit falschem Lob.

Seehofer ist zudem durch alle Höhen und Tiefen des politischen Geschäfts gegangen und gleichzeitig gehört er zu den wenigen Politikern in Deutschland, denen tatsächlich ein erfolgreiches politische Comeback gelungen ist. Vor acht Jahren stand Seehofer vor dem politischen Aus, in der CSU war er politisch isoliert. Schließlich räumte er im November 2004 sogar den Posten des gesundheitspolitischen Sprechers der CSU-Fraktion und zog sich aus der ersten Reihe der Politik zurück.

Doch das ist Geschichte, Seehofer kämpfte sich zurück, inzwischen ist er der letzte Hoffnungsträger einer Partei, die bei der Landtagswahl 2013 nach einem halben Jahrhundert bayerischer Vorherrschaft eine Niederlage fürchten und um den Verlust der Macht bangen muss.

Rund um den Jahreswechsel lief der Politiker Seehofer zur Höchstform auf und zeigte dem Politiker zu Guttenberg seine Grenzen auf. Man kann nicht sagen, dass Seehofer und zu Guttenberg in der Vergangenheit Freunde gewesen sind, eher innerparteiliche Konkurrenten, die sich gegenseitig belauerten und auf Fehler warteten. Vor seinem Rücktritt von allen politischen Ämtern galt zu Guttenberg als möglicher Nachfolger Seehofers als CSU-Vorsitzender und machte diesem das Leben schwer.

Doch nun plötzlich bemühte sich Seehofer darum, seinen Widersacher von einst politisch zu umarmen. Karl-Theodor sei ein sehr fähiger Politiker, erklärte Seehofer in mehreren Interviews, deshalb werde er sich 2012 intensiv darum bemühen, dass er in der CSU wieder eine „aktive Rolle“ spielen werde. Dessen Wortmeldungen seien zuletzt zwar nicht sehr hilfreich gewesen, auch nicht für die CSU, fügte Seehofer hinzu, trotzdem dürfe man hier „nicht nachtreten“.

Mit jeder noch so vorsichtig vorgetragenen Kritik und jedem Zweifel an einem Comeback hätte der CSU-Vorsitzende und Ministerpräsident seinen einstigen innerparteilichen Gegenspieler wieder aufgebaut, die alte Konkurrenzsituation wieder hergestellt. Stattdessen schloss Seehofer nicht einmal aus, dass Guttenberg wieder ein Ministeramt übernehmen könne. „Im Team wäre Guttenberg immer in der ersten Reihe“, antwortete der CSU-Vorsitzende auf entsprechende Nachfragen und das Wort Team hatte er dabei mit Sicherheit mit viel Bedacht gewählt. Denn als Teamspieler war der Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg nie aufgefallen.

Das Angebot Seehofers war also vergiftet, hätte zu Guttenberg dieses angenommen, wäre er nur noch ein Politiker von Seehofers Gnaden gewesen, eine Figur in dessen Machtspielchen und ein Mitschuldiger für eine mögliche Niederlage bei der Landtagswahl 2013. Eine neue politische Karriere, die ihn zurück in höchste Regierungsämter führt, hätte zu Guttenberg darauf kaum aufbauen können.

So kam eines zum anderen. Ein verunglücktes Interview, ein schlechter politischer Bewährungsjob und ein falsches Lob. Am Ende blieb zu Guttenberg nichts anders übrig, als Seehofers nur scheinbar selbstloses Angebot auszuschlagen und das geplante Comeback abzusagen.

Es wäre nicht der richtige Zeitpunkt, schrieb zu Guttenberg an alle CSU-Mitglieder „und ich habe auch aus meinen Fehlern zu lernen“. Nicht jede seiner Äußerungen im vergangenen Jahr sei klug gewesen, „rückblickend waren auch die letzten Wochen missglückt“, heißt es in dem Brief. Er wolle daraus seine „Lehren und Konsequenzen“ ziehen, dies erfordere „Zeit und Abstand“. Beides wird er brauchen und will Karl-Theodor zu Guttenberg in ein paar Jahren tatsächlich in die Politik zurückkehren, dann wird er angesichts des erwiesenen wissenschaftlichen Betruges nicht nur mehr Demut und Reue zeigen müssen. Er wird auch das politische Handwerk und dessen kleine Tricks und Gemeinheiten noch einmal völlig neu lernen müssen.

Christoph Seils leitet die Online-Redaktion des Magazins Cicero. Er ist Autor des Buches „Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien?“, erschienen im WJS-Verlag. Er schreibt an dieser Stelle wöchentlich über die deutsche Parteienlandschaft.

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