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Alexander van der Bellen führt die Amtstradition des Bundespräsidenten als passiver Vermittler in Österreich weiter.
© Florian Wieser/dpa

Bundespräsident in Österreich: Bilanz nach 100 Tagen Alexander van der Bellen

Österreichs Bundespräsident Alexander van der Bellen ist seit 100 Tagen im Amt und hat - bis auf eine Äußerung zu Kopftüchern - wenig Aufsehen erregt. Die Bewährungsprobe kommt erst noch.

Nach 100 Tagen Alexander van der Bellen als Bundespräsident ist die Aufregung in Österreich und Europa rund um die erst aufgehobene, dann verschobene Wahl abgeklungen. Wenn man die kürzliche Empörung um seine Aussage zum solidarischen Kopftuchtragen ausklammert, äußerte er sich kaum zur Tages- oder Parteipolitik.

Der Wirtschaftsprofessor aus dem Tiroler Kaunertal, das oft Schauplatz von Wahlkampfterminen vor idyllischer Bergkulisse ist, hat die Rolle des Bundespräsidenten inzwischen verinnerlicht. Allerdings nicht die Rolle des Aktivisten, die sich so mancher Anhänger des linken Lagers von ihm gewünscht hätte und die man mit der Legitimierung via Direktwahl auch verteidigen könnte. Sein prominentester Auftritt in der Öffentlichkeit war jener kurz nach seiner Wahl, als er im Februar eine Rede im Europäischen Parlament hielt.

Als „Staatsnotar“ bezeichnen ihn österreichische Medien inzwischen, als einen, der die ikonische Tapetentür in der Wiener Hofburg – ein Sinnbild für diskretes Vermitteln – zu bedienen weiß. Van der Bellen benimmt sich als Präsident wie seine Vorgänger. Er führt die Amtstradition als stiller Mediator, als neutraler Staatsmann fort. Von seiner Partei, den Grünen, hat er sich abgegrenzt, die Mitgliedschaft ruhend gestellt. Die Grünen sind auf einem Umfragetief und konnten nicht von seiner Wahl profitieren.

Die Bewährungsprobe wird die Nationalratswahl

Die Bewährungsprobe von van der Bellen kommt erst noch. In Österreich stehen spätestens im Herbst 2018 Wahlen an, ob die Koalition aus SPÖ und ÖVP jedoch überhaupt so lange hält, ist unklar. Dann könnte der Bundespräsident mit einer möglichen Koalition aus ÖVP und FPÖ oder gar einem Bundeskanzler Heinz-Christian Strache umgehen müssen. Manche spekulieren, dass er sich das Eingreifen in die Tagespolitik bis dahin aufheben will.

Sollte er sich bei der Wahl wirklich klarer positionieren, wird er damit erfahrungsgemäß nur Erfolg haben, wenn er die Anerkennung der Bevölkerung hat. In Österreich geht das am besten, wenn man den Ersatzkaiser gibt und anfangs niemanden verprellt. Diese Rolle steht dem ehemaligen Universitätsprofessor gut. Der 73-Jährige gab im Wahlkampf oft den Oberlehrer und versuchte, über der teils schmutzig geführten Debatte zu stehen, auch wenn es ihm nicht immer gelang. Als er noch Kandidat war, wurde ihm diese Haltung oft als Arroganz, als Abgehobenheit angekreidet. Als Bundespräsident profitiert er davon.

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