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Champions-League-Finale: Bayern München gegen Borussia Dortmund: Mehr als ein Spiel

Borussia Dortmund oder der FC Bayern München, Jürgen Klopp oder Jupp Heynckes: Nur einer wird am Ende des Tages als strahlender Sieger in Wembley beim UEFA Champions-League-Finale vom Platz gehen.

Irrtum, dass ein Fußballspiel neunzig Minuten dauert oder auch mal hundertzwanzig. Das Finale der Champions League ist schon vor Tagen losgegangen mit den Diskussionen, ob nun die Verletzung von Mario Götze zum entscheidenden Nachteil wird und ob der Motivator Jürgen Klopp seine Dortmunder eher zum Sieg treiben kann als der Fußballweise Jupp Heynckes seine Bayern. All das gehört zum Spiel dazu. Und die ohnehin wuchtige Präsenz des Fußballs erlebt gerade einen weiteren Höhepunkt.

Das kann man aufgeblasen finden, aber die heiße Luft verschafft vielen ein wohliges Gefühl. Es bleibt ein Phänomen, wie der Fußball eine Gesellschaft beschäftigen kann, wie viel Energie und Leidenschaft er weckt. Die Einzigartigkeit, dass sich erstmals zwei deutsche Mannschaften im Endspiel der Champions League duellieren und das auch noch im mythenbeladenen Wembley, kann das nicht allein erklären. Gibt es nach dem Wetter ein so verbindendes Gesprächsthema?

Es kommt einfach viel zusammen, angefangen beim Spiel selbst. Das hat sich verändert zur athletischen und strategischen Disziplin. Und wenn alle Spieler in Bewegung sind, der Ball von Fuß zu Fuß rast und am Ende im Tor landet, entsteht manchmal ein wahrer Rausch auf Gras. Die Berufsfußballer leben ihre Gefühle inzwischen offener auf dem Platz aus, das macht es für das Publikum noch reizvoller, sich Lieblinge und Unliebsame auszusuchen. Auch das Publikum hat sich verändert, es umfasst neue Milieus, sucht mehr das Massenereignis und findet es besonders einfach beim Fußball mit seinen Public Viewings und Fanmeilen.

Im Fußball gibt es längst das Kerneuropa

Bei so viel Präsenz hat das Allgemeinwissen immer mehr zugenommen, gerade auch befördert durch die UEFA Champions League. So wie es möglich ist, ein Fußballspiel in der Nacherzählung in wenigen Szenen zusammenzufassen, so lässt sich der europäische Vereinsfußball fokussieren. Man muss nicht mehr Steaua Bukarest und Ajax Amsterdam kennen, mit dem Grundwissen über Real Madrid, Barcelona, Manchester United, Juventus Turin und ein bisschen Bundesliga lässt sich schon eine abendfüllende Diskussion bestreiten. Im Fußball gibt es längst das Kerneuropa. Die Champions League hat es hergestellt, sie hat den Markt verknappt und dadurch die Aufmerksamkeit erhöht.

Irrtum übrigens auch, dass der Fußball einzelne Geschichten schreibt. Es sind ganze Fortsetzungsromane. In diesem Finale etwa ist die Vergangenheit sehr präsent mit zwei Finalniederlagen der Münchner aus den vergangenen Jahren, die es jetzt zu vergessen gilt. Schon ist vom Schicksal einer vom Scheitern bedrohten Spielergeneration zu lesen. Starker Stoff. Das entscheidet den European Soccer Contest auch vom Eurovision Song Contest, der mit neuen Darstellern jedes Mal wieder von vorne losgeht. Der Fußball ist eine Schatzkiste von geteilten Erlebnissen. Mit jedem Spiel wird sie weiter befüllt, mit einem Finale wie diesem in besonderem Maß.

Der größte Irrtum ist wohl, dass Fußball nur Fußball ist. Er wäre nie so reich, mächtig und berühmt geworden, wenn er nicht auch noch Klischees mitspielen lassen würde. Diesmal sind es die des Arbeiterklubs aus dem Ruhrgebiet gegen den stinkreichen Dominator aus dem eigensinnigen Bayern. Ist es Zufall, dass die von der Schuldenkrise geplagten Länder aus Italien und Spanien nicht im Finale sind? Ganz egal, ob da etwas dran ist: Der Fußball macht das Mitfühlen und Mitreden leicht. Und wenn der Schiedsrichter abpfeift, geht es immer noch weiter.

Friedhard Teuffel

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