Rot-Grün in Sicht: Alles andere als ideal für Wowereit
Nach erfolgreichen Sondierungsgesprächen ist noch rot-grüne Überzeugungsarbeit nötig. Denn Wowereit traut den Grünen das Regieren nicht ohne Weiteres zu - und er traut nicht allen von ihnen.
Eine knappe Woche nach der Wahl hat die Berliner SPD nun also sondiert, zweimal mit den Grünen, einmal mit der CDU. Das Ergebnis war erwartbar: Rot-Grün. Trotz der Gefahren, die darin liegen, vor allem für Klaus Wowereit. Bei seiner Partei, der SPD, standen die Zeichen von vornherein eher auf Grün. Nur hatten sie explizit Wahlkampf gegen Wowereit gemacht, die Grünen; um sich allerdings hinterher schnell als „konkurrierende Freunde“ für eine Koalition anzubieten. Dennoch werden sie Überzeugungsarbeit leisten müssen. Denn erstens traut der Regierende ihnen das Regieren nicht ohne Weiteres zu, zweitens traut er nicht allen von ihnen.
Er hätte es anders haben können, mit Frank Henkel, dem CDU-Spitzenmann, Berliner wie er selbst. Wenn nur die anderen, die im Hintergrund, nicht wären; mit denen kann Wowereit gar nicht. Außerdem schüttelte es seine Partei bei dem Gedanken. Zehn Jahre haben nicht gereicht, die Zeit mit Eberhard Diepgen und Klaus Landowsky schöner zu reden. Bloß hätte Rot-Schwarz halt genügend Stimmen gehabt, dass sich der eine oder mal hätte enthalten oder auflehnen.
Wowereit hatte die Wahl nach der Wahl, und wieder ist das Ergebnis für ihn alles andere als ideal. Ja, er kann Regierender bleiben, aber geschwächt und dann noch mit einer schwachen Koalition. Nicht vergessen: Die SPD hat mit ihm als Spitzenkandidat an Zustimmung verloren, dazu noch einige Direktwahlkreise, und er selbst ist in seinem Wahlkreis gegen einen so weltbekannten Politiker wie Claudio Jupe unterlegen. Über die Liste hat er es auch nicht geschafft – der Regierende Bürgermeister hat kein Mandat mehr im Abgeordnetenhaus.
Die Koalition wiederum ist so stark, wie sich der eine oder andere zukünftig fühlen kann. Denn auf eine Stimme, die Stimme über der Mehrheit, kommt es an. Daran sind schon andere gescheitert, man denke nur an das Schicksal der Ministerpräsidentin Simonis und ihren „Heide-Mörder“. Und es glaubt doch keiner, dass Wowereit in zehn Jahren Regierungszeit niemandem auf die Füße getreten wäre; dass keiner bei SPD und Grünen in Versuchung geraten könnte, es ihm in geheimer Abstimmung doch mal heimzuzahlen.
Für Rot-Grün spreche die Bundespolitik, hat es immer geheißen. Nach dem Motto: Schwarz-Gelb ist am Abgrund, Rot-Grün die Alternative, und da passt als Anzahlung ein Bündnis in Berlin, im Land Berlin, beiden gut. Allerdings hätte eine große Koalition, diesmal unter Führung der SPD, auch Signalcharakter gehabt. Sie hätte dazu in Berlin als Projekt verkauft werden können: Nach der Zusammenführung der Stadthälften durch Rot-Rot jetzt die Re-Integration des bürgerlichen Westens durch Rot-Schwarz. Und Wowereit hätte gezeigt, dass er mit allen kann. Wenn einer Kanzlerkandidat werden will, ist das nicht schlecht.
Stattdessen sucht der Regierende jetzt aber wohl die größtmögliche Herausforderung. Um die zu bestehen, um etwas sicherer in die Legislaturperiode zu gehen, sollte er vielleicht doch noch einmal darüber nachdenken, ob er die neuen Grünen, die Piraten, mit einbinden kann. Koalieren muss er ja nicht gleich, aber kooperieren könnte er. Vielleicht indem er den Piraten einen Posten gibt wie „Beauftragter für Transparenz“? Das Ausgrenzen der Grünen seinerzeit hat nicht funktioniert. Das alternative Motto wäre: Kannst du sie nicht besiegen, musst du sie umarmen. Auch dafür gibt es Vorbilder. Zumal manche Forderungen der Piraten bekannt klingen, nämlich: altliberal.
Stephan-Andreas Casdorff