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Weltbevölkerung: Absurde Zahlen

Sieben Milliarden Menschen, das ist für die Erde bereits zu viel. Wie Schuldenkrise und Bevölkerungswachstum zusammenhängen.

Es gab eine Zeit, da machten große Zahlen noch großen Eindruck. Methusalem wurde, so steht es in der Bibel, 969 Jahre alt. Der Mount Everest ist 8848 Meter hoch. Ein Blauwal wiegt 200 000 Kilo. Der Bankenrettungsfonds von 2008 umfasste 480 Milliarden Euro, das war damals noch unvorstellbar viel Geld. In diesen Tagen, wo es um Rettungsschirme und Staatsschulden in Billionenhöhe geht, sind große Zahlen nicht mehr imposant, majestätisch oder bedrohlich – sondern nur noch absurd. Geradezu niedlich erscheint da die Ankündigung der Vereinten Nationen, am 31. Oktober ein Neugeborenes als siebenmilliardensten Erdenbürger willkommen zu heißen. Sieben Milliarden Menschen, ist das überhaupt noch eine große Zahl?

Auf jeden Fall ist sie schnell gewachsen. In den 200 000 Jahren von seinem Auftauchen in der Evolution bis zur Zeit Jesu brachte es der Homo sapiens gerade einmal auf 300 Millionen Exemplare. Etwa 1600 Jahre später hatte sich die Zahl der Menschen verdoppelt. Die nächste Verdoppelung dauerte rund 220 Jahre, die folgende nur noch 110 Jahre. Nach weiteren 55 Jahren hatte sich die Weltbevölkerung noch einmal verdoppelt, auf 4,8 Milliarden im Jahre 1985. Der Geburtenrückgang in den Industrieländern und die Geburtenkontrolle haben das Wachstum der Weltbevölkerung seitdem geringfügig verlangsamt. Trotzdem werden im Jahr 2100 mehr als zehn Milliarden Menschen auf dem Planeten leben.

Die berühmte Theorie von Thomas Malthus aus dem Jahre 1798, wonach die Bevölkerung exponentiell, das Nahrungsmittelangebot jedoch nur linear wächst, gilt heute als widerlegt. Durch Ertragssteigerung, die Erschließung neuer landwirtschaftlicher Flächen und die Ausweitung der Fischerei haben die Nahrungsressourcen mit dem Bevölkerungswachstum mitgehalten – jedenfalls bis jetzt. Auch das Versiegen wichtiger Rohstoffe, das der Club of Rome in seiner Studie „Die Grenzen des Wachstums“ 1972 vorhergesagt hatte, konnte durch technologische Neuerungen abgewendet werden. Langfristig wird die Erdbevölkerung allerdings nur in Frieden leben, wenn ein minimaler Lebensstandard für alle sichergestellt ist. Für das dafür notwendige ökonomische Wachstum kommen vier Quellen infrage.

Die einfachste Möglichkeit, kostenlose Umweltressourcen zu erschließen, ist nahezu erschöpft. Bis zum Ende des Jahrhunderts wird die landwirtschaftlich genutzte Fläche der Erde mit etwa 60 Prozent das Maximum erreichen, die Weltmeere sind bereits heute überfischt.

Die zweite Möglichkeit kannte schon Friedrich der Große: Je mehr Bürger ein Staat hat, desto höher sein Wohlstand. Die Arithmetik, wonach mehr Arbeitskräfte die Arbeit billiger machen und dadurch die Produktivität erhöhen, wird derzeit in China vorgeführt. Das Ende dieses Booms ist absehbar: Die Arbeiter werden ebenfalls Wohlstand fordern und die geburtenstarken Jahrgänge müssen von der nachfolgenden, durch die Geburtenkontrolle zu schwachen Generation versorgt werden.

Die dritte Quelle für Wachstum, der technische Fortschritt, hat dem Homo sapiens schon öfters aus der Patsche geholfen. Als die natürliche Düngung nicht mehr ausreichte, erfand er den Kunstdünger. Als das Walöl als Brennstoff ausging, holte er Öl aus den Tiefen der Erde. Seit Beginn des Industriezeitalters hat sich die Produktivität pro Kopf auf das Elffache gesteigert. Der Preis dafür ist eine empfindliche Störung der Umwelt. Weil sich die Erde erwärmt und ökologische Kreisläufe gestört werden, sterben Tierarten aus, Nahrungsquellen gehen verloren, es kommt zu Wassermangel. Weil für die Gewinnung von Nahrung, sauberem Wasser und Rohstoffen immer mehr Energie aufgewendet werden muss, werden die fossilen Energieträger knapp.

Wenn Industriestaaten kein neues Land, keine billigen Arbeitskräfte und keine technischen Wundermittel haben, bedienen sie sich einer vierten Methode, um den Wohlstand wachsen zu lassen: Sie kurbeln die Wirtschaft mit Geld an, das sie sich von den kommenden Generationen geliehen haben. Die hohen Schulden vieler Staaten belegen deshalb nicht nur deren schlechte Haushaltsdisziplin. Die absurd hohen Zahlen sagen auch: Sieben Milliarden Menschen, das ist für die Erde bereits zu viel.

Der Autor ist Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle.

Alexander S. Kekulé

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