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Der Schriftsteller Martin Walser, 88
© dpa

Martin Walser lobt Merkel: Zuwanderung ist Reichtum

Die Flüchtlinge von heute können die Dichter von morgen sein: Der Schriftsteller Martin Walser begrüßt die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin.

Und jetzt noch Martin Walser, könnte man entnervt aufstöhnen, nachdem Peter Sloterdijk gerade die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin mit einer seltsamen Wortwahl („Überrollung Deutschlands“) kritisiert hat. Angenehmerweise steht Walser jedoch ganz auf der Seite von Angela Merkel. Was sie getan habe, so der 88 Jahre alte Schriftsteller in einem Interview mit dem Magazin „Focus“, „war großartig. (...) In Deutschland wurde zum ersten Mal weltbewegend menschlich reagiert“. Und Walser weiter: „Es ist doch klar, wir haben doch gar keine andere Möglichkeit mehr, als es zu schaffen. Alles andere wäre viel schlimmer. Wir haben nach 1945 viel mehr schaffen müssen und wir haben es geschafft in einer viel, viel schlechteren wirtschaftlichen Lage.“

Walsers Vorschlag: Ein Hilfswerk der Hausbesitzer für die Flüchtlinge

Es ist zunächst der gesunde Menschenverstand, den Walser hier bemüht, auch sein vor einigen Jahren erklärter Auszug aus dem „Reizklima des Rechthabenmüssens“ dürfte eine Rolle spielen. Zumal er in seinem jüngsten, übervoll- irrlichternden Roman „Ein sterbender Mann“ schon eine klare Position zur Flüchtlingsthematik bezogen hat, mit Hilfe seiner Hauptfigur, dem latent suizidalen, aber stets liebessüchtigen Theo Schadt. 

Der schreibt in seinen „Berichten an die Regierung“ (die unvermittelt in den Roman eingeklinkt sind und mit der Geschichte nichts zu tun haben), dass die „Tragödie“ der Flüchtlinge ein Ende haben könnte, „wenn jeder, der in Deutschland ein Haus sein eigen nennt, einen Flüchtling aufnehmen würde. (...) Jeder, der ein Haus besitzt, kann dann ein Jahr lang für diesen Flüchtling sorgen. (...) In diesem Jahr hat der Hausbesitzer alles getan, den Flüchtling in unserem Gemeinwesen aufzunehmen. Sprache, Ausbildung und was sonst noch nötig sein kann. Hilfswerk der Hausbesitzer soll es heißen.“

Literatur ist für Walser die höchstmögliche Auskunft - und Zuwanderung eine Bereicherung

Das ist ein Vorschlag, der zwar sicher nicht befolgt wird, aber praktikabel wäre. Walser nimmt sich die Freiheit, das einfach mal hinzuschreiben – und womöglich hat er sich dabei von der Sinologin und Übersetzerin Thekla Chabbi inspirieren lassen, für deren „schöpferische Mitwirkung“ an „Ein sterbender Mann“ er im Buch ausdrücklich dankt. Chabbi hat das Kapitel über die Vatersuche von Schadts Geliebter Sina in Algerien geschrieben, auf ihrem eigenen biografischen Hintergrund basierend. Das erzählt Walser in Interviews und bei Lesungen mit Chabbi (wie am Mittwoch im Berliner LCB). Walser und seine Mitstreiterin haben sicher manchen interkulturellen Dialog geführt.

Doch wäre es ein Trugschluss, bei Walser nun einen Gesinnungswandel vom Nationalkonservativen (der er nie war) zum Ultra-Liberalen auszumachen. Letztlich führen bei ihm alle Wege über die Sprache. Das war bei dem jiddischen Autor Sholem Abramovitsh so, den er vor kurzem entdeckt hat, diesen „so gewaltigen Autor zwischen Kafka und Swift“, der ihm mit seinen Büchern erst auf die gesamte Fülle des jüdischen Lebens aufmerksam gemacht hat. Und das ist jetzt so, wenn er dem „Focus“ sagt, wie naturgemäß es sei, dass ein Land sich durch Zuwanderung verändere, um dann zu schwärmen, dass eines Tages die Flüchtlinge von heute die Dichter von morgen sein werden: „Das wird ein Reichtum sein! Es ist ein Reichtum, der uns bevorsteht, und keine Beraubung.“ Literatur ist für Walser seit je die „höchstmögliche Auskunft“. Spinnt man Walsers Lob für Merkels Humanismus weiter, dürfte selbst die deutschsprachige Literatur der Bundeskanzlerin einmal sehr dankbar sein.

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