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Die litauische Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla.
© Frans Jansen / CAMI

Konzert Litauisches Nationalorchester: Zuhören ist Gold

Das Litauische Nationalorchester im Konzerthaus und die Dirigentin Mirga Grazinyte-Tyla am Pult.

Der Druck, der auf Mirga Grazinyte-Tyla lastet, kann nicht gering sein. Die 31-jährige Dirigentin aus Litauen ist in Birmingham Nachfolgerin von Pultstars wie Simon Rattle und Andris Nelsons geworden. Gerade gab ihr Orchester bekannt, dass die Dirigentin schwanger ist, trotz kurzer Pause aber voll und ganz Chefin bleiben wird.

Festivals und Gastorchester reißen sich um die hochenergetische Musikerin, auf deren selbstverständliche, leuchtende Führungskraft Männer mit allerlei seltsamen Texten reagieren. Während die einen sich in der Vorstellung ergehen, von Mirga Grazinyte-Tyla dirigiert zu werden, versuchen die anderen zu beweisen, dass sie den Platz im Rampenlicht gar nicht verdient. Wie gut tut da das Filmporträt von Daniela Schmidt-Langels, das Arte an diesem Sonntag spät um 23.50 Uhr ausstrahlt. Es zeigt eine junge Musikerin von unwiderstehlicher Neugier, die ihren Musikerinnen und Musikern auf eine Art zuhören kann, dass sich neue Wege öffnen. Klänge sind dabei hochentwickelte Kommunikationsmittel.

Im Konzerthaus dirigiert Mirga Grazinyte-Tyla als Ergänzung zum Baltikum-Festival das Nationale Sinfonieorchester ihrer Heimat, die sich vor 100 Jahren abhängig erklärte und dann doch lange unfrei war. Ein feierlicher, auch ernster Anlass, wenn Litauens Botschafter der Bundeswehr für ihre Präsenz an der Grenze zu Russland dankt.

Schwerfälliger als erhofft

Die Besetzungen auf der Bühne wechseln, viele Stühle werden gerückt, die Dramaturgie erweist sich schwerfälliger, als von der Dirigentin erhofft. Zunächst erklingen fünf Lieder von Osvaldas Balakauskas für Chor und wenige Musiker, bei denen Mirga Grazinyte-Tylas Herkunft als souverän atmende Chordirigentin viel über ihre Auffassung von Musik verrät. Im Werk „Bruderschaft“ des georgischen Komponisten Vakhtang Kakhidze umarmen sich Klassik und Jazz recht keusch, obwohl die Dirigentin ihr Ensemble unablässig zu rhythmischer Zuspitzung antreibt.

Nach der Pause dann ragen einige Streicherspitzen herausfordernd aus Raminta Serksnytes Unruhe stiftendem „De profundis“ heraus. Strawinskys Sacre mit seinen Anklängen an litauische Volksweisen ganz am Ende öffnet einige wunderbar wild belassene Bläserpfade, ringt aber auch mit der Erschöpfung eines langen Abends.

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