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Maria Böhmer: "IS zerstört die Identität der Region".
© Soeren Stache/dpa

Staatsministerin Böhmer zum Kampf gegen den IS: „Zerstörung von Kultur ist ein Terrorakt“

Die uralte syrische Handelsstadt Palmyra ist in der Hand der Dschihadisten. Maria Böhmer (CDU) spricht im Tagesspiegel-Interview von einem Kriegsverbrechen.

Frau Böhmer, die Terrormiliz „Islamischer Staat“ tötet in Palmyra Hunderte von Zivilisten, und die deutsche Diplomatie wirbt vor den Vereinten Nationen für den Schutz von Kulturgütern. Ist das nicht zynisch?

Nein. Denn Deutschland hat bislang schon viel getan, um den „Islamischen Staat“ (IS) zu bekämpfen und seinen Opfern zu helfen. Deutschland lieferte den kurdischen Peschmerga Waffen für den Kampf gegen den IS und bildet sie aus, wir unterstützen Flüchtlinge in Syriens Nachbarländern, wir nehmen in Deutschland Flüchtlinge aus der Region auf. Mit militärischen Mitteln alleine kann der IS nicht besiegt werden. Wir leisten unseren Beitrag für eine breit angelegte politische Strategie. Dazu gehört auch der Schutz von Kulturgütern.

Sie bringen am heutigen Donnerstag vor der UN-Vollversammlung eine deutsch-irakische Resolution zum Schutz von Kulturgütern ein. Warum?

Die Zerstörung von Kulturgütern ist eine neue Form der taktischen Kriegsführung des IS. Es handelt sich eindeutig um Kriegsverbrechen. Ich finde es sehr erfreulich, dass im Vorfeld der Abstimmung schon 74 von 193 Staaten die Resolution unterstützt haben. Ich hoffe, dass heute alle UN-Mitglieder zustimmen.

Was soll die Resolution bewirken?

Wir ächten damit die Zerstörung von Kulturgütern als terroristische Akte und Kriegsverbrechen. Alle Staaten werden aufgefordert, die Täter strafrechtlich zu verfolgen und den Irak beim Schutz von Kulturgütern zu unterstützen, Deutschland tut das bereits, andere sollen folgen. Schließlich verurteilen wir den illegalen Handel von Kulturgütern. Das ist wichtig, weil der Verkauf dieser Schätze eine wesentliche Finanzquelle ist, mit der der IS seine Terrorherrschaft finanziert.

Die Stadt Palmyra liegt in Syrien und nicht im Irak. Greift die Resolution hier trotzdem?

Die Bedrohung von Kulturgütern im Irak war Ausgangspunkt für diese Resolution. Aber die Wirkung dieses Beschlusses wird weit über den Irak hinausgehen. Wir wissen, dass Appelle in diesem Krieg nur eine begrenzte Wirkung haben. Die Terrormiliz behauptet, sie zerstöre das Kulturerbe aus religiösen Gründen. Wenn nun auch viele islamische Staaten diese Praxis verurteilen, schwächt das auch die Legitimation des IS.

Manche Experten vermuten, es gehe dem IS vor allem um die Provokation des Westens. Gehen Sie davon aus, dass die Terrormiliz ihre Vernichtungsdrohung tatsächlich wahr macht?

Das ist schwer einzuschätzen. Der IS hat in Mossul und in Ninive in massiver Weise Kulturgüter zerstört, wir wissen allerdings nicht, in welchem Umfang. Mit der brutalen und barbarischen Zerstörung des kulturellen Erbes will der IS die Wurzeln der Gesellschaften in der Region und ihre Identität zerstören.

Was geht in Palmyra verloren, wenn der IS Erfolg hat?

Palmyra ist ein Kronjuwel unter den Welterbestätten. Diese Stadt war immer eine touristische Attraktion. Wenn es schlimm läuft, wird die Existenzgrundlage der Menschen in der Region völlig zerstört. Dann kommen auch keine Touristen mehr, wenn der IS besiegt und die Stadt wieder befreit wird.

Sie sprachen das Verbot des illegalen Kunsthandels an. Wie weit ist Deutschland damit?

Kriminelle Kunsthändler nutzen immer wieder Lücken, obwohl auf EU-Ebene seit 2003 ein Handelsverbot für Kulturgüter aus dem Irak und seit 2013 für solche aus Syrien besteht. Die Bundesregierung ist nun dabei, das Kulturgüterschutzgesetz noch einmal zu verschärfen. Danach soll der Import von Kulturgütern nur noch mit einer Exportlizenz des Herkunftsstaates möglich sein. Aber da müssen alle mitmachen, auch Auktionshäuser und Sammler.

Maria Böhmer, 65, ist Staatsministerin im Auswärtigen Amt und amtierende Vorsitzende des UNESCO-Welterbekomitees. Mit der CDU-Politikerin sprach Hans Monath.

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