"Girl with Balloon": Zerschnittenes Banksy-Bild ist jetzt das Doppelte wert
Bei einer Auktion von Sotheby’s schreddert sich ein Bild des Street-Art-Stars Banksy nach dem Verkauf selbst: Ein Coup wie noch keiner.
Ein Skandal, ein Witz, eine Kunstaktion auf einer Auktion, wie es sie noch nie gegeben hat? Kaum ist der Zuschlag erteilt – das Bild erzielt gut eine Million britische Pfund –, rutscht das „Girl with Balloon“ aus dem Rahmen. Ein Teil der Arbeit ist in Streifen geschnitten. Die Sensation: Ein Werk von Banksy bei Sotheby’s schreddert sich selbst.
Der Künstler pflegt seine Anonymität. Sie ist, wie die plakative Street-Art, sein Markenzeichen. Hier scheint er damit zu spielen: Bei Sotheby’s in London wurde ein Mann mit Hut und Sonnenbrille gesichtet. Nun wird unter der Verkleidung Banksy vermutet. Auf Instagram indessen erklärt er am Sonntag: „Der Drang zu zerstören ist ein kreativer Drang“ und beruft sich auf Picasso. In einem von ihm veröffentlichten Video zeigt er, wie er angeblich vor Jahren den Selbstzerstörungsmechanismus in den Bilderrahmen eingebaut haben will – falls das Bild einmal unter den Hammer kommen sollte.
Bei der Versteigerung soll der Schneider per Fernbedienung eingeschaltet worden sein. Nur: Schaut man sich Fotos und Video aus dem Auktionsraum an, dann wirkt das Bild keineswegs zerstört. Es hängt halb aus dem Rahmen heraus und weist Schlitzungen auf, ist aber noch gut zu erkennen. Und vielleicht jetzt noch besser zu verkaufen. Mit dem ebenfalls anonymen Käufer sei man im Gespräch, was als Nächstes passieren soll, erklärt das Auktionshaus. Die Experten dort halten es für möglich, dass dieser Banksy, nach diesem „Schock“ und Hype, nun schon das Doppelte wert sei. Das Zerschneiden gehört jetzt zum Kunstwerk, macht es einzigartig.
Fragen und Theorien ranken sich darum: Der Rahmen für das Ballonmädchen sieht ungewöhnlich dick aus. Nach der Schnitt-Aktion nehmen Sotheby-Mitarbeiter das Bild von der Wand, und dabei bekommt man den Eindruck, dass es sehr schwer ist, obwohl es nur 101 x 78 Zentimeter misst. Die Schneidemaschine ist vor der Auktion nicht entdeckt worden. Das macht stutzig und spricht nicht für die Sorgfalt bei Sotheby’s, wo man die Sache amüsiert aufnahm. Und wie gelangte der Künstler an das Video der Aktion, das er dann selbst postete und treffend kommentierte – „going, going, gone“?
War das Auktionshaus an der Inszenierung beteiligt?
Banksy-Arbeiten sind schon häufiger bei Sotheby’s versteigert worden, für Preise meist im fünfstelligen Bereich. Auch deshalb ist die jüngste Auktion so auffällig. Wollte hier jemand, womöglich er selbst, die Preise in die Höhe treiben, um sogleich das Werk in Teilen zu zerstören? Banksys Kunst ist politisch. In New York ist in diesem Jahr auf der Uhr an der Fassade eines Bankgebäudes seine Ratte aufgetaucht. Fünf Jahre lang war von ihm in New York nichts zu sehen gewesen. 2013 ließ er in einem Pop-up Store in der Fifth Avenue Banksy-Werke für 60 Dollar verkaufen. Die später auf einer Auktion über 200 000 Dollar erzielten. Die Riesenspanne zwischen den Beträgen, die ein Künstler für sein Werk erhält, und den Summen, die Sammler, Galerien und Auktionshäuser erzielen, ist ein gewaltiges Problem im Kunstbetrieb. Da sind die Künstler oft die Dummen. Auch dagegen arbeitet der Mann, der sich Banksy nennt, mit seinen Aktionen. Die Frage des Originals führt bei diesem Künstler schnell zu Verwirrung. Kunstdrucke mit einem Mädchen und rotem Ballonherz kann man bei Amazon übrigens für zehn Euro bestellen.
„Girl with Balloon“, entstanden 2006, stammt von einer Privatperson, die das Spray-Bild direkt vom Künstler bekommen hat. Experten sind bei der Versteigerung weitere Ungereimtheiten aufgefallen. Warum, fragt die „New York Times“, wurde das Bild an der Wand aufgehängt und nicht wie üblich auf einer Staffelei präsentiert? Warum war es das letzte Los der Versteigerung, bestens geeignet für einen spektakulären Schlusspunkt? Falls eine Inszenierung, von wem auch immer, dahintersteckt: Sie zeigt mit anarchischem Humor, dass Kunst nur buntes Papier ist, wie Geld.