Verhüllungs-Künstler Christo: Zeit der Pyramiden
Es sind Jahrzehnte, die der Künstler Christo seinen Projekten widmet. Sein nächstes Projekt, die Überdeckung eines Flusses, geht gerade voran. Dabei verhüllt er im Grunde gar keine Objekte - er verhüllt die Zeit.
Der Künstler erfreut sich seiner 79 Jahre, isst täglich eine rohe Knoblauchzehe und geht in dem Haus in Manhattan, wo er lebt, zehn- bis fünfzehnmal am Tag neunzig Stufen zu Fuß. Auch sein nächstes Projekt geht voran, die Überdeckung eines Flusses in Colorado auf sechzig Kilometern Länge, „Over the River“. „Es wurde schon einige Male abgelehnt, aber diesmal sind wir so nah dran wie nie“, sagte er dem Wiener „Standard“. Er habe fast alle Bewilligungen beisammen, die Materialtests seien überstanden und er zahle jährlich 170 000 Dollar Grundstücksmiete. Im nächsten Jahr soll es so weit sein.
In Berlin hat es ein Vierteljahrhundert gedauert, von 1971 bis 1995, bis Christo und seine inzwischen verstorbene Partnerin Jeanne-Claude das Reichstagsgebäude mit aluminiumbeschichtetem Polypropylengewebe in ein Raumschiff verwandelten. Es waren magische Tage damals, ein Monument des Friedens und der Stille war in Berlin gelandet, unweit der mörderischen Grenze, deren Fall wir in diesem Herbst feiern, weil wiederum 25 Jahre vergangen sind.
Christo verhüllt keine Objekte, sondern Zeit
Christo wickelt Steine ein, wie 1985 den Pont-Neuf in Paris. Das ist an sich schon eine zauberische Brücke, wenn man nur an den Film von Leos Carax denkt, „Les Amants du Pont-Neuf“ mit Juliette Binoche, die eine erblindende Malerin spielt, und mit Klaus Michael Grüber als Clochard, der den Tod in der Seine sucht. Christos Werke leben vom Ephemeren, wie manchmal die Liebe, sie sind aus Stoff und Träumen gemacht. Zwei Wochen bestaunten wir den „Wrapped Reichstag“, zwei Wochen gab es in Florida die „Surrounded Islands“, zwei Wochen wird, wenn es gelingt, der Arkansas River unter einem silbrigen Dach fließen.
Und dann ist es wieder vorbei, schimmern die Bilder in der Erinnerung. Christo verhüllt aber im Grunde gar keine Objekte, sei es in der Natur oder in den Städten. Er verhüllt Zeit. Er enthüllt Hektik.
"Mastaba" - ein künftiges Weltwunder
Immer sind es Jahrzehnte, die er einem Projekt widmet. Die es braucht, Behörden zu überzeugen und Logistik zu organisieren. Das Zeitmaß der Christo-Projekte erinnert an die Antike. Es hat eine kolossale, pharaonische Dimension. Seinen ultimativen Plan will er in der Wüste von Abu Dhabi realisieren, im Sand am Golf. Er nennt „Mastaba“ sein „Lebensprojekt“. Eine Skulptur aus 410 000 Ölfässern, 150 Meter hoch, in der Form einer abgeflachten Pyramide, bemalt in Emaillefarben von hellem Gelb über Orange, Grün und Rot bis Kobaltblau. Im Gasometer Oberhausen gab es 1999 mit „The Wall“ einen Vorlauf mit 13 000 Ölfässern auf einer Breite von 68 Metern und einer Höhe von 26 Metern.
„Mastaba“ aber ist kein temporärer Bau, vielmehr ein künftiges Weltwunder. Es ist auf den Zeichnungen ein paar Meter höher als die 4500 Jahre alte Cheops-Pyramide von Gizeh und erheblich breiter. Die Christo-Pyramide könnte viele Zeitalter überdauern, auch das des Erdöls, mit dem sie finanziert wird.
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