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Lea v. Ackeren
© Zeitsprung Pictures

"Tagebuch der Anne Frank" auf der Berlinale: Zärtlichkeit und Überlebenswut

Eine präsente Hauptdarstellerin in einem klaustrophobischen Kammerspiel: Auf der Berlinale wird in der Generation 14 Plus Hans Steinbichlers „Tagebuch der Anne Frank“ gezeigt.

Ihr Gesicht ist zum Inbild geworden, fast eine Ikone. Das helle Mädchenlachen, das man auf den Fotos von den Lippen zu lesen glaubt, die dunklen sehnsuchtsvollen Augen. Wie eine Tochter Franz Kafkas.

Millionen kennen ihre Aufzeichnungen aus der Zeit vom Juni 1942 bis zum 1. August 1944, als sich die Eltern Frank mit ihren Töchtern sowie weiteren jüdischen Verfolgten im Hinterhaus der Prinsengracht 263 in Amsterdam vor der Gestapo versteckt hielten. Drei Tage später werden sie verraten und deportiert. Die Mutter stirbt in Auschwitz, die Töchter gelangen von dort nach Bergen-Belsen, wo die 15-jährige Anne und ihre ältere Schwester an Hunger, Krankheit und Torturen sterben. Nur Vater Otto Frank überlebt und gibt ab 1947 das in 70 Sprachen aufgelegte Diarium der Tochter heraus.

Hans Steinbichlers Verfilmung „Das Tagebuch der Anne Frank“ ist nun die gleichsam werktreueste Annäherung an das Buch – nach melodramatischen Hollywood-Versuchen, TV-Adaptionen wie dem bemerkenswerten US-Fernsehfilm (mit Ben Kingsley als Otto Frank) oder 2015 der seriös bemühten ARD-Dokufiction „Meine Tochter Anne Frank“, die auch Interviews mit dem 1980 verstorbenen Vater enthielt.

Der Ikone fehlt der Rahmen

Steinbichler vertraut vor allem seiner wunderbar präsenten Hauptdarstellerin. Lea van Ackeren verkörpert das frühreif erwachte, im Übergang vom Kind zur jungen Frau im Versteck zum Unterdrücken aller Lebenssehnsüchte gezwungene Mädchen: schmallippig schnippisch, rührend verträumt, dann wieder ohne Selbstmitleid von Zärtlichkeit und Überlebenswut erfasst. Anna ist die Erzählerin, liest immer wieder direkt in die Kamera aus ihrem Tagebuch, nur so erscheint die Gefangene noch als Herrin ihres Geschicks.

Der Preis dieser Nahaufnahme ist freilich auch die Verengung des Films. Der Ikone fehlt der Rahmen, der Hintergrund. Außer in ein, zwei Rückblenden, Sommertage im Gebirge oder ein Ausflug ans Meer, existiert keine Außenwelt. Die mutigen Helfer draußen haben keine Geschichte, und selbst die deutschen NS-Besatzer kommen erstmals bei der Verhaftung ins Bild. Auch die Luftangriffe, vor denen sich die Versteckten in ihren Dachkammern nicht schützen können, ergeben bloß eine kurze Bedrohung. Krieg und Unfrieden gerinnen zum klaustrophobischen Kammerspiel, mit freilich glänzendem Ensemble: Ulrich Noethen als Vater Frank, Martina Gedeck als Mutter, Stella Kunkat als Schwester Margot, dazu in prägnanten Nebenrollen noch Margarita Broich und André Jung. Am stärksten ist jedoch der knappe, im Tagebuch nicht mehr vorhandene Schluss: wie die Frauen und Mädchen im KZ kahl geschoren werden, hier so erschreckend wie nie zuvor inszeniert. Ein Bild, das ohne Worte alles erzählt.

16.2., 20 Uhr (HKW), 17.2., 18.30 Uhr (Kino Union). Ab 3. März in den deutschen Kinos

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