Charlotte Gainsbourg live in Berlin: Zarter Trost
Beim Konzert im Berliner Columbia Theater überzeugt Charlotte Gainsbourg mit den Elektropop-Songs ihres Albums "Rest".
Wenn nichts mehr eine Bedeutung hat, verschwindet manchmal auch die Angst. So ging es Charlotte Gainsbourg nach dem Tod ihrer älteren Schwester Kate. Weil der Schmerz und die Trauer so übermächtig waren, verspürte sie plötzlich keine Scheu mehr, selber Songtexte zu schreiben. Bis dahin hatte der riesige Schatten ihres Vaters Serge Gainsbourg die Sängerin und Schauspielerin davon abgehalten. Mit ihrem fünften Soloalbum „Rest“, das im November erschienen ist, hat sie einen Schritt ins Licht gemacht.
Allerdings bleibt der Vater weiter das Zentralgestirn für die 46-Jährige, was schon der Eröffnungssong ihres Konzertes im ausverkauften Berliner Columbia Theater verdeutlicht: Begleitet von ihrer fünfköpfigen Band spielt sie am E-Piano sitzend das Stück „Lying With You“, das von den zwei Tagen nach seinem Tod handelt. Zusammen mit ihrer Schwester legte sich die damals 19-Jährige neben den Vater.
Verträumt-spaciger Sound
Während sie auf Französisch über ihre Liebe zu ihm singt und beschreibt wie sie sein wächsernes Gesicht berührt, beschwört sie auch die Videobilder zu „Lemon Incest“ herauf, dem berühmte Vater-Tochter-Skandalsong aus dem Jahr 1984. Sie werden vertrieben von dem auf Englisch gesungenen Refrain, bei dem die Stimmen der Bandmitglieder Gainsbourg auf dem Weg in die tröstlichen Höhen unterstützen.
Komponiert hat den Song der französische DJ und Produzent SebastiAn, der auch sonst federführend war beim „Rest“-Album. Er hat ihm einen an Airs „Moon Safari“ erinnernden verträumt-spacigen Electro-Sound verpasst, der live ebenfalls gut funktioniert. Der rotierende Synthiebass drängt immer wieder in Richtung Tanzfläche und beim clubbigen Finale von „Deadly Valentine“ tritt Gainsbourg sogar mal kurz vor den großen Leuchtröhren-Rahmen, der vor ihrem Instrument aufgebaut ist.
Ein Song für die tote Schwester
Anschließend zieht sich die Sängerin in den Bühnenhintergrund zurück, hinter einen weiteren Leuchtrahmen. Sie braucht ein bisschen Abstand, denn jetzt steht „Kate“ an, der Song für ihre Schwester. Einmal ganz ohne Effekte oder Dopplungen durch ihre Musiker steht ihre fragile Stimme im Zentrum dieses Wehmutsstücks, das genauso berührt wie das ohne Schlagzeug auskommende, fein hingetupfte „Rest“. Zum Schluss des 70-minütigen Konzert schließt Gainsbourg den Kreis: Sie singt „Lemon Incest“ – intimes Echo einer versunkenen Zeit.
Nadine Lange
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