Der Kinoerfolg der "Minions": XXS ist das neue XXL
Noch erfolgreicher als "Fifty Shades of Grey": Die "Minions" setzen sich an die Spitze der deutschen Kino-Jahrescharts. Die gelben Chaosmonster in Pillenform sind klein, aber anarchisch. Und radikal antidemokratisch!
Stell dir vor, du klebst auf einer halben Milliarde Bananen, reist auf dem Rücken von Millionen Amazon-Paketen durch die Gegend, bestückst Kekstüten, Kopfkissen, Smartphone-Verpackungen und überhaupt alles, was nicht schnell genug Reißaus nehmen kann. Und in Berlin schaffst du es sogar, eine komplette U-Bahnstation mit deinem Konterfei zuzukleistern. Miniondamm statt Mehringdamm, „luk luk“ würden die Minions dir zurufen, in ihrem niedlichen Global-Kauderwelsch.
Niedlich? Die Universal-Produktion mit den quietschgelben Chaos-Minimonstern in Schmerzpillenform hat es mit knapp viereinhalb Millionen Besuchern seit Anfang Juli auf Platz Eins der deutschen Jahrescharts geschafft, noch vor „Fifty Shades of Grey“. Auch dass die „Minions“ mit einem weltweiten Einspiel von bislang 762 Millionen Dollar bald die Ein-Milliarden-Dollar-Grenze knacken könnten (was bei den Animationsfilmen nur Disney mit „Toy Story 3“ und „Die Eiskönigin“ gelang), verdankt sich einer alles andere als niedlichen Marketingkampagne. Fast 600 Millionen Dollar wurde in die Vermarktung investiert, bei einem lächerlichen Produktionsbudget von lediglich 74 Millionen Dollar.
Die Minions, Ant-Man, demnächst wieder Peter Pan: Mini hat Konjunktur
Die Giganto-Strategie zahlt sich aus: Es gibt kein Entkommen vor den Anarcho-Hopsviechern mit Taucherbrille und Hippie-Latzhose, die schon als Sidekick in „Ich – Einfach Unverbesserlich“ Klamauk veranstaltet hatten. Nun lässt sich ein Millionenpublikum bekanntlich nicht mit Leinwand-Langweilern abspeisen, also bieten die Minions erstens für jedes Zielpublikum etwas, für die Mädchen die böse Hexe Scarlet Overkill, für die Jungs deftige Action vor der Londoner Skyline, einschließlich eines Gozilla-Minion-Auftritts und für die Erwachsenen einen Parforceritt durch die Menschheits- und Filmgeschichte, von Lascaux-Höhlenmalereien über Waterloo bis zu den Beatles und Jimi Hendrix. Zweitens haben die Minions es sowieso in sich, soziopolitisch betrachtet.
Small is beautiful, Mini hat Konjunktur. Angesichts der Übergröße und -fülle der aktuellen Krisen und Konflikte fühlt sich alle Welt zur Zeit sooo klein mit Hut. Derart küchenpsychologische Überlegungen kommen einem angesichts der aktuellen Mainstreamhelden schnell in den Sinn, vom Kassenerfolg eines „Ant-Man“ über die bald startende jüngste Peter-Pan-Adaption bis zu den Comic-Ikonen Snoopy und Charlie Brown als Weihnachtsfilmhelden 2015. Liebling, ich habe die Helden geschrumpft: XXS ist das neue XXL.
Auch interessant: Die Minions sind leidenschaftliche Antidemokraten, ein Ameisenstaat aus knuffigen Eierköpfen, der sich nach dem Aussterben von Schurken wie T-Rex und Napoleon auf die Suche nach dem fiesesten Despoten der Gegenwart macht. Ihm, nur ihm wollen sie dienen. Zwar setzen die drei Kundschafter Bob, Kevin und Stuart am Ende nicht der spitznasigen Scarlet die Krone auf, sondern der eher gutmütigen Queen. Aber auch Monarchie geht nicht ohne Untertanengeist. Keine weiblichen Minions (was ihr Erfinder Pierre Coffin mit der Bemerkung quittierte, so dämlich könnten nun mal keine Mädels sein), eine Männerhorde, die sich nach Unterwerfung sehnt, Diktatur als Poprebellion mit Actionmitteln und dem coolen Sound der Sixties – ganz schön krude Mischung.
Die Sprache der Minions: ein wildes Kauderwelsch aus Zig Idiomen
Nicht zu vergessen die Sprache der Minions. „Bello“ und „Poopaye“, Hello und Good Bye: Englisch, Italienisch, Koreanisch, Spanisch, Japanisch, Songzeilen, Comicidiom, von jedem ist was dabei. Weil die Minions ihre Dollar-Milliarde nun mal auf dem Weltmarkt einspielen müssen? Das Publikum liebt die Zeichentrick-Einzeller jedenfalls dafür. Weil es auch sonst längst nur noch Bahnhof versteht.
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