Besuch im Humboldt Forum: Woran es bei der Fertigstellung hakt
Die Terminverschiebung beim Humboldt Forum kommt spät, aber nicht gänzlich ungelegen. Eindrücke von der Besichtigung der Baustelle.
Nun ist es also amtlich, was schon die Spatzen von den Dächern des Schlossneubaus gepfiffen haben: Mit der Eröffnung des Humboldt Forums noch in diesem Jahr wird es nichts mehr. Dazu lud am Mittwoch die Stiftung Humboldt Forum als Bauherrin kurzfristig zu einer Besichtigung des Gebäudes ein, um den oder die Verursacher des Missstandes vor Augen zu führen. Mit dabei waren Anne Katrin Bohle, die Staatssekretärin für Bauwesen im Bundesministerium für Inneres, Bau und Heimat, sowie Petra Wesseler, Präsidentin des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR), in dessen Händen die Baudurchführung liegt.
„Sechs Millionen Quadratmeter Bruttogrundfläche an Bundesvorhaben betreuen wir derzeit baulich“, hob Wesseler an, „davon macht das Humboldt Forum 100.000 Quadratmeter aus. Aber das sind natürlich besonders wichtige Quadratmeter.“ So wurde denn die Journalistenschar gestern erst einmal ins Technikgeschoss unters Dach geführt, wo die Haustechnik für die beiden oberen Ausstellungsebenen gesteuert wird. Eine eindrucksvolle Batterie von Schaltkästen steht da, und die müssen, so Hans-Dieter Hegner, der Bauvorstand der Stiftung, einzeln in Betrieb gesetzt werden, bevor anschließend die „Wirkprinzipprüfung“ für das gesamte Ensemble erfolgen kann.
Und da wurden nun – aber damit rückten die Verantwortlichen erst ein Stockwerk tiefer in den schon weit vorangeschrittenen Ausstellungsräumen heraus – beim Test bei der Kälteanlage „zwei gravierende Mängel festgestellt“. Zum einen, so BBR-Chefin Wesseler, sei die Leitungsführung an einer Stelle zu niedrig angebracht, noch dazu in einem Fluchtweg, zum anderen müsse die Computersteuerung „nachjustiert“ werden.
Bei allen Anlagen habe man sich fragen müssen: „Sind die schon so weit, um in Betrieb genommen zu werden?“ Die glasklare Antwort: „Das ist bis Ende dieses Jahres nicht zu hundert Prozent zu gewährleisten.“ Das „Eröffnungsszenario mit der ersten Teileröffnung Ende dieses Jahres“ – was für ein Begriff! – werde man „leider nicht halten können“.
"Sicherheit und Qualität gehen vor"
Der Stiftungsrat der Forums-Stiftung wird bei seiner kommenden Sitzung am 26. Juni „über alternative Szenarien entscheiden“ – welche das sein könnten, wollte gestern keiner der Eingeweihten preisgeben. Doch solle die Eröffnung auf jeden Fall im Jahr 2020 stattfinden; ob in der Mitte oder am Ende, sei noch offen, aber so viel war doch herauszuhören.
Wie er denn die Verschiebung beurteile, wurde Forums-Intendant Hartmut Dorgerloh gefragt. Er hatte sich bis dahin im Hintergrund gehalten und sprach nun mit sonorer Stimme: „Wir haben das mit Bedauern zur Kenntnis nehmen müssen, aber dass Sicherheit und Qualität vor Tempo gehen, das akzeptieren wir.“ Man werde die Planungen „anpassen“ – „für uns sind diese Informationen sehr neu.“ Bundesbaustaatssekretärin Bohle assistierte: „Ich möchte kein Risiko für die Besucher und keines für das Kulturgut.“
Man konnte den Eindruck gewinnen, es sei – und zwar bei einer Sitzung am gestrigen Vormittag – die Sprachregelung vereinbart worden, „Sicherheit“ und „Qualität“ obenan zu stellen; als ob diese beiden Eckpfeiler verantwortungsvollen Bauens nicht ohnehin an oberster Stelle stünden. Nach und nach kamen weitere Gesichtspunkte zur Sprache, etwa die Schwierigkeit, angesichts der überschäumenden Baukonjunktur genügend Fachkräfte kurzfristig auf die Baustelle zu bekommen. Auch die zeitliche Abfolge der einzelnen Gewerke stellt bei den fälligen Reparaturarbeiten ein Problem dar.
Die Fassaden sind bis auf Kleinigkeiten fertig
Bei einem Rundgang durch Teile des riesigen Gebäudes war zu sehen, dass in den Ausstellungsräumen der Staatlichen Museen bereits die hochkomplizierten Schaukästen sowie Halterungen für schwergewichtige Stücke wie das „Benin- Tor“ eingebaut werden. Allerdings hätten die Sammlungen der Staatlichen Museen ohnehin nicht schon zum Jahresende präsentiert werden können; daher die geplante „Eröffnung in Etappen“.
Die Schlossfassaden sind bis auf Kleinigkeiten fertig, die nachgeschaffenen Sandsteinfiguren über den Portalen halten bereits ihre Instrumente aus vergoldeter Bronze. Die Stülersche Schlosskuppel wird derzeit Stück für Stück vollendet, dabei werden in Kürze die bronzenen Dachplatten aufgesetzt. Zugleich sind tausend Kleinigkeiten noch zu erledigen, und so ganz unfroh über die Verschiebung scheinen jedenfalls die Bauverantwortlichen nicht zu sein. Andererseits hätten bis zum nun aufgegebenen Eröffnungstermin einige Monate zur Verfügung gestanden, in denen sich kleinere Baumängel erfahrungsgemäß beseitigen lassen.
BBR-Präsidentin Wesseler schloss mit der Bekräftigung, aus der man auch einen Seufzer der Erleichterung heraushören konnte: „Aufgrund der absoluten Qualitätssicherung und der Standards“ habe man sich „entschlossen“, den Bau „jetzt in aller Sorgfalt und Ruhe gemeinsam zu komplettieren“. Schade, dass nun auch das Humboldt-Forums-Schloss, dieser letzte Hoffnungsträger termingerechten Bauens in Berlin, die Latte gerissen hat.