Bauhaus-Jubiläum in Weimar: Wo die Moderne zum Mythos wird
Baustelle Weimar: Die deutsche Klassikstadt bereitet sich mit einem Museumsneubau auf das große Bauhaus-Jubiläum 2019 vor.
Es dauert kein halbes Jahr mehr bis zum großen Bauhaus-Jubiläum. Vor einem Jahrhundert wurde von Walter Gropius im eher beschaulichen Weimar die legendäre Kunsthochschule gegründet, deren Ideen sich nach der erzwungenen Schließung durch die Nationalsozialisten in alle Welt verbreiteten. Es sollte zum bedeutendsten Kulturexport Deutschlands werden. An allen drei Standorten – der Ursprungsstätte Weimar, dem Hauptsitz Dessau und als letzter Adresse Berlin – entstehen gegenwärtig neue Museen und Anbauten, denn überall platzen die Depots aus den Nähten, fehlte es bislang an genügend Ausstellungsmöglichkeiten.
Während sich in Berlin alles auf das Eröffnungsfestival im Januar konzentriert, weil der Erweiterungsbau für das Bauhaus-Archiv erst 2022 fertiggestellt sein wird, und die Dessauer Bauhaus-Stiftung zuletzt eher wegen Ausladung der Band Feine Sahne Fischfilet von sich reden machte, arbeitet man in Weimar zielstrebig weiter, überall in der Stadt von Goethe, Schiller und auch Nietzsche.
Das große Jubiläum ist zum Anlass geworden, ein ganzes Quartier im Norden umzuordnen, im Zentrum neue Akzente zu setzen, den Uni-Campus aufzufrischen und das Haus am Horn als einzige authentische Bauhaus-Architektur am Ort authentisch wieder herzurichten. Flaggschiff all dieser Veränderungen ist der von der Berliner Architektin Hanna Hanada entworfene Museumsneubau: ein großer grauer Kubus, in dessen Fassade als Banderole ganz oben die Worte „bauhaus museum“ in programmatischer Kleinschrift eingelassen sind.
Es bleibt beim blanken Beton
Das Museum soll die Zugkraft entwickeln, um das zwischen Bahnhof und Innenstadt bislang abgeschnürte Terrain als Kulturareal zu öffnen. „Quartier Weimarer Moderne“ heißt die Gegend künftig. Es kann eine Alternative zu den populären Stätten der Weimarer Klassik bilden – zusammen mit dem von den Nationalsozialisten errichteten Gauforum, in dem sich heute die Thüringer Landesverwaltung befindet, mit der Ende der 90er von Gerkan, Marg und Partner hinzugesetzten Weimarhalle sowie dem Neuen Museum, das aus dem Jahr 1869 stammt.
Bislang dominiert allerdings noch das trutzige Gauforum mit der bräunlichen Rasenfläche dazwischen. Beinahe hätte es eher unfreiwillig sogar einen Wiedergänger des westlichen Flügels vom Gauforum gegeben – als Spiegelbild in der gläsernen Fassade des Bauhaus-Museums. Das wurde im letzten Moment verhindert, die Architektin machte einen neuen Vorschlag für die Front. Jetzt bleibt es beim blanken Beton. Den Kubus sollen künftig 24 LED-Linien umkränzen, um im Dunkeln ein freundliches Licht zu werfen. Die Einlassungen gibt es bereits.
Installation von Saraceno im Foyer
Auch im Inneren braucht es noch viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie es zur Eröffnung am 5. April 2019 aussehen soll. Die Strukturen sind zu erkennen, fließende Räume mit Versprüngen jeweils ins nächste Geschoss. Das Foyer wird eine 11 Meter hohe, netzartige Installation mit Spiegeln des Berliner Bildhauers Tomás Saraceno zieren, eine Art utopische Stadt, die das Ineinandergreifen der Disziplinen symbolisiert, wie es für das Bauhaus typisch war. In den ersten Stock kommt das Allerheiligste, jene von Gropius zusammengestellte Schausammlung, die er 1925 dem Schlossmuseum überließ, als das Bauhaus nach dem Regierungswechsel in Weimar nicht länger erwünscht war und die Konservativen die Finanzierung kappten.
Zu den 168 Preziosen dieser Ur-Sammlung gehören Marianne Brandts Teeextraktkännchen ebenso wie die gläserne Wagenfeld-Lampe, Marcel Breuers Lattenstuhl wie Theodor Boglers Keramik. Durch Ankäufe, vor allem seit den 90er Jahren, ist die Sammlung inzwischen auf 13000 Objekte angewachsen. Die Ikone der Gründerphase, die berühmte Bauhaus-Wiege, in der sich die Grundfarben Rot, Blau, Gelb und die Grundformen Kreis, Dreieck, Quadrat wiederfinden, hat der Erschaffer Peter Keler 1960 selbst gestiftet. Er lehrte damals an der nach Kriegsende in Weimar neugegründeten Hochschule für Architektur und bildende Künste, die allerdings schon bald mit den Bauhaus-Ideen nichts mehr im Sinn haben wollte.
Nicht so revolutionär, wie Gropius es verkaufte
Das ist längst anders. Die Hochschule nennt sich inzwischen Bauhaus-Universität, ihre vier Fakultäten Architektur und Urbanistik, Bauingenieurwesen, Kunst und Gestaltung sowie Medien ziehen wie damals wieder internationale Studenten an. Auch hier laufen die Vorbereitungen für das Bauhaus-Jubiläum im nächsten Jahr, für Ausstellungen, Konzerte, Kolloquien. Auf dem Terrain zwischen den beiden historischen Komplexen, der von Henry van de Velde erbauten Kunstgewerbeschule und der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule, die Gropius zum Bauhaus zusammenschweißte, wird ebenfalls gebuddelt. Wo früher Bäume standen, soll sich im Frühjahr eine glatte Rasenfläche erstrecken mit einer schnurgeraden Betonkante als Sitzbank, um freie Sicht auf die berühmten Fassaden zu gewähren. Alles Protestieren der Studenten, die hier im Sommer bislang beschattet auf der Wiese lagerten, half nichts.
Auf welchen Grundlagen das Bauhaus in Weimar entstehen konnte, dass es längst nicht so revolutionär war, wie Gropius es gerne verkaufte, davon handelt die künftige Dauerausstellung im Neuen Museum, sie eröffnet im kommenden April. 1999 hatte das Haus nach langer Sanierung mit der Sammlung des Berliner Kunsthändlers Paul Maenz als erstes Museum zeitgenössischer internationaler Kunst in den neuen Bundesländern hoffnungsvoll wiedereröffnet. Fünf Jahre später trennte man sich, weil die Besucher ausblieben und nur noch Werke bis 1950 gezeigt werden sollten.
Mit der neuen Dauerausstellung wird die Zeit noch weiter zurückgedreht: „Van de Velde, Nietzsche und die Moderne um 1900“ lautet ihr Titel. Zu den „Utopisten, Idealisten, Missionaren“, an deren Person der freiheitliche Geist dargestellt werden soll, gehören auch die Großherzöge Carl Alexander und Wilhelm Ernst sowie Nietzsches Schwester Elisabeth als zentrale Figuren des „Neuen Weimar“.
Das Neue ist schon ziemlich alt
Das könnte zum Problem werden. In den Museen der Stadt ist das Neue eigentlich immer schon ziemlich alt. Mit Gropius hört in Weimar die Zeitrechnung auf. Ein kleiner Saal im neuen Bauhaus-, ein weiterer im Schiller-Museum steht zwar für Ausstellungen zeitgenössischer Künstler zur Verfügung. Doch was nach der Vertreibung des Bauhauses geschah, die Kunstproduktion in der DDR und jenseits der Grenze, auch nach dem Mauerfall hat keinen Platz in einer Stadt, die einerseits vom Mythos ihrer großen Geister erdrückt wird, andererseits in deren Glanz erst erstrahlt. Hier wird Ulrike Lorenz, die im Sommer nächsten Jahres als neue Präsidentin der Klassikstiftung antritt, wirken können. Die ausgewiesene Moderne-Expertin hat als Direktorin gerade erst in Mannheim den Neubau der Kunsthalle eröffnet.
Und doch gilt zum Bauhaus-Jubiläum die Aufmerksamkeit nicht nur den Errungenschaften Weimars, sondern auch den Schattenseiten. Im westlichen Flügel des Gauforums entsteht gerade das Museum „Zwangsarbeit im Nationalsozialismus“, denn hier war zur NS-Zeit der Amtssitz des Gauleiters von Thüringen und Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz geplant. Im Zentrum der Stadt entsteht ein weiteres Museum, das allerdings mit Stolz: das „Haus der Weimarer Republik“ im klassizistischen Kulissenhaus gegenüber dem Deutschen Nationaltheater, wo die erste demokratische Verfassung Deutschlands verabschiedet wurde. Bis vor Kurzem waren darin noch die Schätze des Bauhaus ausgestellt. Ohne Weimarer Republik wäre es nie nach Weimar gekommen.
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