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Arbeiterfleiß. Der neue b.a.t.-Theatersaal in der Belforter Straße.
© Kai-Uwe Patz/promo

Studiotheater der Hochschule Ernst Busch: Wirbel um Biermann

Am Mittwoch wird das b.a.t wiedereröffnet. Wolf Biermann, einer der früheren Gründerväter, wurde erst nicht eingeladen. Das sorgte für Wirbel - und verdeutlicht ein Dilemma.

Es klingt wie ein Märchen, ist aber wahr. Am kommenden Mittwoch wird das b.a.t, das Studiotheater der Hochschule Ernst Busch, an der Belforter Straße wiedereröffnet. Pünktlich! Nach anderthalb Jahren Bauzeit, ohne Pfusch-Skandale oder explodierendes Budget. Eine kleine Heldengeschichte des Berliner Arbeiterfleißes. Ganz ohne Misstöne und – okay, das stimmt natürlich nicht. Dazu später mehr.

Wolfgang Engler, der noch amtierende Rektor der berühmtesten Schauspielschmiede des Landes, führt durch das runderneuerte Theatergebäude. Ende des 19. Jahrhunderts war hier der Tanzsaal einer Brauerei zu Hause, später, in den 1920ern, das Kino Roxy mit über 400 Plätzen. Bald spielen hier wieder Studenten, in einem schönen Raum mit freigelegten Backsteinwänden, neuer Galerie, digitaler Technik, Klimaanlage und Barrierefreiheit. Alles state of the art, rund 4,3 Millionen Euro hat das Projekt b.a.t. gekostet. Nächstes Jahr, wenn der zentrale Campus der Ernst Busch Schule in Mitte inklusive neuer Bühne eröffnet wird, soll dieses Studiotheater verstärkt „in die Hände der Studierenden gelegt werden“, sagt Engler. Hier können sie, entlastet vom Veröffentlichungszwang, „produktiv scheitern“.

Anders als die Gründergeneration des b.a.t. also. Die scheiterte 1963 unproduktiv. Wolf Biermann, eine der treibenden Kräfte hinter dem „Berliner Arbeiter- und Studententheater“ , beschreibt die Zeit in seiner Autobiografie in der ihm eigenen Zupacker-Prosa als „Mischung aus Gaunerstück und revolutionärem Übermut“. Studenten der Humboldt-Uni, Arbeiter aus dem VEB Elektro-Apparate-Werke, Jazz-Optimisten, Regisseur Benno Besson, Bühnenbildner Reinhart Zimmermann, Wolf Biermann und Brigitte Soubeyran versuchten hier ihre Vorstellung von politischem Theater Gestalt annehmen zu lassen. Und erlitten Schiffbruch, weil Biermanns zur Eröffnung geplantes Mauer-Stück „Berliner Brautgang“, auf ZK-Druck bereits bis zur Farce verstümmelt, nach der Probeaufführung am 3. März 1963 endgültig beerdigt wurde – wie das gesamte b.a.t.-Projekt. „Hausverbot im eigenen Haus“, so Biermann.

Dass man Biermann nicht einlud, sorgte für Querelen

Heute ist die Ernst Busch Schule nebst Studiobühne ein internationaler, global vernetzter Ausbildungsbetrieb. Und sie befindet sich in einem Dilemma: mit dem Stolz auf die Ost-Vergangenheit kann sie sich kaum schmücken. Aber sie pflegt bis heute eine Ausbildungstradition, die im besten Sinne alte DDR-Schule ist. Mit dem Akzent auf Könnerschaft.

Engler erinnert sich an die Wendezeit, als die Ernst Busch Schule auf vergleichbare Institutionen im deutschsprachigen Raum traf. „Die Wahrnehmung war: hier die Individualisten aus dem Westen, dort die Ostler mit der Idee vom kollektiven Kunstprozess“. Eine Differenz, sicher. „Aber kein Weltengegensatz“, wie der Rektor betont. „Man konnte das völlig ideologiefrei betrachten.“ Dieser Tage aber zeigt sich wieder, dass DDR-Geschichte nie ideologiefrei verhandelt wird. Und welche toxischen Dynamiken entstehen, wenn sich Kunst mit parteipolitischen Absichten infiziert.

Wolf Biermann wurde zur Wiedereröffnung des b.a.t. nicht eingeladen. Das hat für viel Wirbel gesorgt. Man wollte im kleinen Kreis feiern, mit Arbeitern und Technikern, weswegen man an den Gründervater gar nicht gedacht habe, behaupten die Ernst-Busch-Verantwortlichen. Alles Lüge, so die Gegenseite, die glaubt, dass Biermann nicht willkommen sei, weil er vor ein paar Jahren im Bundestag die Linke als „Drachenbrut“ beschimpft habe. Unterdessen ist die Einladung pflichtschuldig nachgeholt worden, und der Berliner Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung, Steffen Krach, bemüht sich persönlich beim Liedermacher um Schadensbegrenzung.

Wolfgang Engler befürchtet, dass die Querelen seine gesamte zwölfjährige Amtszeit diskreditieren könnten. Nicht gerade das Vermächtnis, das er sich wünscht. Sein Erbe sollte doch der Campus in Mitte sein, in den ehemaligen Opern-Werkstätten, wo erstmals alle wesentlichen Bereiche der Ernst Busch Schule an einem Ort versammelt sein werden, von der Regie bis zum Puppenspiel. Der Weg dorthin war ein beschwerlicher, gleich zweifach wurden die versprochenen Mittel kurzerhand wieder gecancelt, unter anderem 2009 vom legendären Thilo Sarrazin. Aber nun, toi, toi, toi, rückt das Happy End näher.

Das Band wird indes Englers Nachfolger durchschneiden dürfen, Holger Zebu Kluth, Mitgründer der Sophiensäle und zuletzt 13 Jahre lang Geschäftsführer der Hamburger Kammerspiele. Ein Kulturmanager, der für Performance hier und Entertainment dort steht, und der so gar nicht zur Ernst Busch Schule zu passen scheint. Womöglich ein Vorteil für ihn.

Fragt man Wolfgang Engler, was in seiner Amtszeit unvollendet geblieben sei, nennt er neben dem Campus eine Chronik der Hochschule. Die existiert nur in Fragmenten. Es gibt kein Buch, das den großen Überblick gewährt: „Wie hat die Schule die DDR-Zeit erlebt, wie den Umbruch? Wo steht sie heute, methodisch, ästhetisch, politisch?“ Wer diese Geschichte schreiben wird, braucht einen langen Atem.

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