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Sind bald auch die kleineren Programmkinos zu? Das Delphi LUX der Yorck-Kinogruppe in Berlin.
© Mike Wolff

Die Kinos und das Coronavirus: Wir bleiben geöffnet - noch

Abstand zwischen den Zuschauern: Viele Kinos in Deutschland halten am Spielbetrieb fest. Aber es gibt schon Schließungen, in Kassel, Bielefeld - und Berlin.

Theater, Konzerthäuser und Museen sind geschlossen, die privatwirtschaftlich betriebenen Kinos nicht. Die meisten nicht, noch nicht. Die kommerziellen Häuser und Ketten bangen um ihre Existenz, der Vorstand der Cineworld, der weltweit zweitgrößten Kinokette, spricht von einem Worst-Case-Szenario, sollten Kinos über Wochen oder Monate geschlossen werden.

In China wurden bereits 70.000 Kinos geschlossen, wegen der verminderten Jahreseinnahmen rechnet der „Hollywood Reporter“ alleine dort mit einem Einnahmeverlust von bis zu zwei Milliarden Dollar für 2020. Wie berichtet, könnten es weltweit Einbußen in Höhe von bis zu fünf Milliarden Dollar werden.

Und immer mehr Blockbuster-Starts werden wegen der Corona-Krise verschoben, auch die Disney-Themenparks in Orlando, Anaheim und Paris bleiben fürs Erste zu. Und immer mehr Studios erwägen Streamingpremieren für publikumsträchtige Filme.

In Italien haben die Kinos mindestens bis zum 3. April ihre Arbeit eingestellt. Zuvor hatte es Teilschließungen gegeben - und die Regel, dass zwischen den Zuschauern ein Abstand von drei Sitzen gewahrt werden muss. Jetzt bitten die Kinobetreiber die Politik um Finanzhilfen, ohne die sie keine Überlebenschance haben. Dänemark hat ebenfalls schnell reagiert, das Aus für die Lichtspielhäuser gilt vorerst bis zum 27. März. Am Freitag erklärte die französische Regierung, die Kapazitäten von Kinos auf 100 Personen zu beschränken, wobei noch darüber gestritten wird, ob sich die Zahl auf einzelne Säle oder einen ganzen Kinokomplex bezieht.

Viele Programmkinos zeigen noch Filme, mit besonderen Vorsichtsmaßnahmen

Auch in Deutschland verbietet sich jeder Leichtsinn angesichts der Tatsache, dass vor allem die Verminderung der Sozialkontakte die Pandemie ausbremsen kann. Im Kino sitzt man bekanntlich genau so eng nebeneinander wie im Konzertsaal oder im Theater. Die Kinobetreiber befinden sich im Krisenmodus, verfolgen täglich, ja stündlich die Ansagen der Behörden, sind hoch nervös. Sie wissen, dass der großflächige Shutdown sie bald erreichen dürfte. Die ersten kompletten Kinoschließungen melden die Städte Kassel und Bielefeld, in Berlin schließt das (nicht-kommerzielle) Arsenal-Kino am Potsdamer Platz als erstes seine Pforten. Die Betreiber, das  "Arsenal - Institut für Film und Videokunst e.V." - kündigen für die nächsten Tage an, dass Filme aus dem Verleih-Programm auf der Website des Arsenals gestreamt werden können.

Die Kinos in den Hackeschen Höfen wollen ihren Spielbetrieb vorerst aufrecht erhalten, aber mit besonderen Vorsichtsmaßnahmen. Nur die Hälfte der Tickets wird verkauft, wegen des Abstands. Man bitte um bargeldlosen oder Online-Ticketerwerb, die Saaltüren werden von Mitarbeitern geöffnet und regelmäßig desinfiziert. Das fsk am Oranienplatz hält es genauso. Ähnlich praktiziert es auch die Yorck-Kinokette: Im International und im Delphi werden maximal 400 Plätze belegt, die kleineren Häuser seien wegen der corona-bedingt geringeren Nachfrage ohnehin nicht voll ausgelastet, heißt es auf Nachfrage. Cleane Kinos, trotzdem nicht einfach, das zu realisieren.

Kinostarts werden im Dutzend verschoben

Auch die Cinemaxx-Kette handelt nicht proaktiv, hält sich weiter „an die Vorgaben der lokalen Behörden, um die Sicherheit unserer Kunden und Mitarbeiter zu gewährleisten“. Falls sich die offiziellen Richtlinien ändern, werde man entsprechend reagieren. Christine Berg vom Branchenverband HDF schätzt, dass eine flächendeckende Schließung aller Lichtspielhäuser die deutsche Kinowirtschaft jede Woche 17 Millionen Euro kosten würde.

"Wir werden akute Soforthilfe benötigen und sehr schnell auf die zahlreichen Mittel, die der Bund jetzt beginnt bereitzustellen, zurückgreifen müssen. Unsere Aufgabe wird es dann sein, unsere Mitglieder in der zügigen und unbürokratischen Beantragung dieser Mittel so effektiv wie möglich zu unterstützen. Nur so werden wir Insolvenzen und anhaltende Schäden von den deutschen Kinos abwenden können,“ so Berg.

Eine weitere Folge: Fast stündlich werden jetzt auch in Deutschland Startverschiebungen gemeldet, darunter Christian Petzolds Berlin-Film „Undine“ mit Paula Beer, der auf den 11. Juni rückt, und „Seberg“ mit Kristen Stewart, auf einen noch unbestimmtem Termin. Disney annonciert am Freitag gleich vier weitere Verschiebungen neben „Mulan“.

Größere Filmveranstaltungen wurden und werden derweil überall in Europa gecancelt. Cineuropa, die Internetplattform des EU-Mediaprogramms, veröffentlichte am Freitag eine Liste mit über drei Dutzend Absagen und Terminverschiebungen von Festivals, Preisverleihungen und Messen. Die Diagonale in Graz, das wichtigste nationale Filmfest in Österreich, findet ebenso wenig statt wie die für März oder April anberaumten Festivals in Prag, Vilnius, Bratislava und Valenciennes.

Cannes erwägt Notfallszenarien für das Filmfest im Mai

Die Verleihungen der italienischen, finnischen, rumänischen und Schweizer Filmpreise werden verschoben, teils noch mit offenem Datum. Auch die Veranstalter etwa der Filmfestivals in Bari, Malaga, Sofia und der Doc-Days in Kiew wollen vor der Bekanntgabe eines Ersatztermins die weitere Entwicklung abwarten. Die für Ende März geplante MIPTV, die Fernseh- und Filmcontent-Messe in Cannes, wurde ebenfalls ersatzlos gestrichen. Lediglich das vor drei Jahren ins Leben gerufene, in die MIPTV integrierte Serienfestival soll nun im Oktober stattfinden. Und das Filmfestival Cannes, das am 12. Mai eröffnet werden soll, erwägt Szenarien, ob und wie man die Filmvorführungen in kleineren Sälen organisieren könnte. Wer weiß, ob all das nicht in wenigen Tagen Makulatur ist.

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