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Schrill, schräg, laut: Klischees der US-amerikanischen Mythologie finden ihre akustische und optische Persiflage.
© Martin Moos

Urraufführung im Ballhaus Ost: Wilder wilder Westen

18 Sänger und Musiker. Sie suhlen sich in Stereotypen, machen Krach, nerven. Die Opern-Perfomance „#135 Gunfighter Nation“ verballhornt Mythen der USA.

Spätabends im Ballhaus Ost regiert der Wilde Westen: Eine dralle Blondine begrüßt in breitem Südstaaten-Amerikanisch die hereinströmenden Gäste, daneben hantiert ein Cowboy mit seiner Knarre. In der anderen Ecke stehen zwei verschreckte Indianer und schmiegen sich aneinander, als wüssten sie schon, dass sie hier nicht mehr lebend herauskommen.

Man ahnt es schon: Das könnte eine ordentliche White-Trash-Trump-Parodie werden. Tatsächlich handelt es sich aber um die Uraufführung der Opern-Performance „#135 Gunfighter Nation“, die nur am Rande auf die gelaufene Präsidentschaftswahl eingeht. Das kuriose, hochexperimentelle, postdramatische Werk, produziert vom Opera Lab und der Klangwerkstatt Berlin, ist vielmehr eine Auseinandersetzung mit den Mythen (und den Vulgarismen) der USA in ihrer ganzen bedrohlichen Breite.

Kein roter Faden, dafür viel Action

18 Sänger und Musiker suhlen sich in den gängigen Stereotypen und machen so richtig viel Krach. Da darf ein Pfarrer nicht fehlen, der sich an seinen Reden aufgeilt und kakophonische Cello-Orgasmen von sich gibt (David Eggert), sowie ein blutbeschmierter Präsident (Musashi Baba), der im Hintergrund ignorant schaltet und waltet. Einen roten Faden gibt es nicht, eine Story auch nicht. Dafür wird man penetriert von ohrenbetäubenden Fanfaren (Trompete: Matthew Conley) oder dem krächzenden Sopran von aufgetakelten Schicksen (Yuka Yanagihara).

Keine Frage: Dieses Stück will gewaltig auf die Nerven gehen, so sehr wie die USA momentan den Außenstehenden. Stellenweise ist das richtig gut und witzig, was sich Evan Gardner (Komposition) und Michael Höppner (Inszenierung) da zusammengesponnen haben. Auch das Bühnenbild voller glitzernder Amerika-Reliquien ist ein Genuss. Aber im Grunde ist man auch ein bisschen enttäuscht von der naheliegenden Kritik, die hier durchexerziert wird: Amerikaner sind fett, rassistisch, nationalistisch, spielsüchtig und kaschieren ihre Brutalität mit Patriotismus und einem falschen Lächeln im Gesicht. Auch die finale Pointe ist so lustig wie oberflächlich: Die Indianer verwandeln sich in Baseball-Fans, die als Erweckungssymbol eine Coca-Cola-Flasche gebären. Hilft das weiter zum Verständnis der aktuellen Lage? Wahrscheinlich nicht. Doch eine Erkenntnis bleibt hängen: Wo Lärm zur Staatsräson wird, bleibt als Ausweg nur die Flucht.

wieder am 14. und 15. November

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