Stephanie Rosenthal leitet Gropius-Bau: Wiedersehen in Berlin
Politik und Performance, und nach Chris Dercon und Neil MacGregor der dritte Neuzugang aus London: Stephanie Rosenthal leitet ab 2018 den Gropius-Bau.
Als Stephanie Rosenthal 2016 die Sydney-Biennale eröffnete, musste sie viele Interviews geben. Die 44-jährige Chefin der größten Ausstellung zeitgenössischer Kunst auf dem fünften Kontinent wurde vor allem danach gefragt, wie sie es mit der Politik in der Kunst hält. Der von ihr gewählte Biennale-Titel, ein Zitat des Science-Fiction-Autors William Gibson, „The future is already here – it’s just not evenly distributed“, hatte das nahegelegt. Gerechtigkeit, Zugänglichkeit, Überleben in der Gegenwart waren die Themen, mit denen sich die über achtzig Künstler beschäftigten, die sie in ihre Ausstellung eingeladen hatte.
Kunst und Politik, darum wird es auch bei ihrem neuen Job gehen, der sie zurück nach Deutschland führt. Ab 1. Februar 2018 übernimmt die aus München stammende Kuratorin die Leitung des Berliner Martin-Gropius-Baus. Als am Mittwochabend die Berliner Festspiele mitteilten, dass sich die Berufungskommission unter Leitung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters für Stephanie Rosenthal entschieden habe, da freute sich besonders Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele und ihr neuer Chef. „Kunst und Politik gehören für sie zusammen, genauso auch der Austausch mit der Stadt und ein modernes Institutionenverständnis“, lobt er die künftige Kollegin.
Mit Stephanie Rosenthal kommt eine neue Frontfigur in die Stadt, deren Kulturleben sich gerade neu sortiert: Chris Dercon beginnt im Herbst an der Volksbühne, in zwei Jahren soll im besten Fall das Humboldt-Forum fertig sein. Da steht es auch für Berlins größtes Ausstellungshaus gut an, sich neu zu positionieren. Mit Gereon Sievernich geht ein erfolgreicher Direktor in Pension, der gewaltige Ausstellungen von William Kentridge, Anish Kapoor, Ai Weiwei, Olafur Eliasson, Rebecca Horn, Günter Uecker gestemmt hat, und der mit teilweise drei, vier parallelen Präsentationen sein Haus immer zu füllen verstand. Zu seinen Spezialitäten gehören kulturhistorische und archäologische Ausstellungen wie die Maya, die Wikinger, die Felszeichnungen der Vorzeit, dazu viele populäre Foto-Shows.
Stephanie Rosenthal bringt als Kunsthistorikerin der nächsten Generation ein anderes Selbstverständnis mit. Der fließende Wechsel zwischen den Sparten Kunst, Tanz, Theater, Oper gehört für sie programmatisch dazu. So war auch ihre Sydney-Biennale stark von Performances geprägt, die Betrachter wurden als aktive Teilnehmer einbezogen. Womit sie wiederum perfekt ins neue Profil der Festspiele unter Oberender passt.
Rosenthal holte schon den ganzen Schlingensief ins Museum
Mit Rosenthal könnte es also spannend werden, in welche Richtung sich der Martin-Gropius-Bau künftig bewegt: orientiert an den Museen, den klassischen Ausstellungen, dem künftigen Humboldt-Forum oder an den performativ ausgerichteten Orten Volksbühne, HAU, Haus der Kulturen der Welt. Einen alten Bekannten trifft die Ausstellungsmacherin auf alle Fälle in Berlin, der sie geprägt haben dürfte. Zehn Jahre lang arbeitete sie am Münchner Haus der Kunst, erlebte dort die erste Phase mit Christoph Vitali als Gründungsdirektor und schließlich seinen Nachfolger Chris Dercon. In seiner Zeit realisierte die junge Kuratorin hochgelobte Projekte.
Ihre Paul-McCarthy-Schau wurde von mehreren Kunstmagazinen als beste Ausstellung des Jahres prämiert. Rosenthal holte den ganzen Schlingensief ins Museum und überzeugte schließlich den Ur-Vater der Performance, Alan Kaprow, seine „Scores“ doch noch in einer Institution zu zeigen. Die Wiederaufführung seiner Aktionen in der Stadt bewog ihn dazu. Eine Herzensangelegenheit dürften die „Schwarzen Gemälde“ von Rothko, Stella, Rauschenberg, Reinhart gewesen sein, über die sie in Köln promoviert hatte.
2007 zog es Rosenthal weiter nach London, als Hauptkuratorin an die Hayward Gallery. Sie wollte sich nicht länger gegen die Kälte und überdimensionalen Proportionen des Gebäudes aufbäumen müssen, sagte sie später als Begründung. In London präsentierte die Kuratorin unter anderem Pipilotti Rist, Dayanitha Singh, Ana Mendieta. In den letzten zwei Jahren allerdings musste der markante Betonbau aus den sechziger Jahren wegen Sanierung schließen. Mit dem Gropius-Bau, dem ehemaligen Kunstgewerbemuseum von 1881, begibt sich die Kuratorin architektonisch gesehen auf die nächste Zeitreise, diesmal ins 19. Jahrhundert.
Nach Neil MacGregor und Chris Dercon ist sie die dritte Persönlichkeit des Kunstbetriebs, die aus London nach Berlin wechselt.
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