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Eine etwas andere Liebesgeschichte. Eines der Videos mit Oscarpreisträgerin Julianne Moore.
© Ladislav Zajac /KOW

13. Gallery Weekend Berlin: Wie weiß muss man sein?

Candice Breitz wird dieses Jahr Südafrika bei der Venedig-Biennale vertreten. In der KOW Galerie provoziert sie mit einer Videoinstallation, in der Hollywood-Stars und Geflüchtete mitwirken.

Schon die Präsentation dieser Arbeit ausgerechnet am Gallery Weekend, wenn die Besucher von Tür zu Tür ziehen, ist ein Ausrufezeichen: Candice Breitz zeigt mit „Love Story“ eine Filminstallation, die in ganzer Länge einen Tag und eine Nacht dauert. Vermutlich ist es jede der rund 24 Filmstunden wert, sie zu sehen – solch eine Kraft entfalten die Erzählungen der in Berlin lebenden südafrikanischen Künstlerin in den insgesamt sieben Projektionen. Auch, weil die Hollywood-Schauspieler Julianne Moore und Alec Baldwin mitwirken, beide versierte Synchronsprecher. Ihr klares Hochamerikanisch verführt zum Bleiben, ihre geschulten Stimmen wecken Spannung und Mitgefühl. Und genau das ist ein Problem, das Breitz meisterhaft herausarbeitet.

Denn wer spricht hier für wen? Julianne Moore und Alec Baldwin interpretieren Passagen aus Breitz’ Filminterviews eine Etage tiefer, mit sechs Menschen, die geflohen sind. Unter ihnen befindet sich eine ehemalige Nationalschwimmerin aus Syrien, ein schwuler, Chavez-kritischer Akademiker aus Venezuela, der zusammengeschlagen wurde, und eine Transfrau aus Indien. Moore und Baldwin nehmen sich zurück, um das Erzählte glaubhaft zu machen. Und doch stehen ihre Hautfarbe, Mimik, Gestik und Stimmlage, ihre Verkörperung westlicher Konzepte von Mann und Frau dem Erzählten im Wege. Sieht der Besucher dagegen die Filme mit den Interviewpartnern, hört er fehlerhaftes Englisch, sieht Narben, dunkle Haut, bunte Hemden. Das schafft Distanz und kann Empathie einschränken – obwohl doch hier das Geschehen aus erster Hand und aus berufenem Munde bezeugt wird. Es stellt sich die Frage: Brauchen wir einen Filter, brauchen Westler „White Washing“, damit sie zuhören?

Noch einen ganz anderen Grund gibt es, mehr Zeit mit Candice Breitz’ „Love Story“ zu verbringen. Die 45-jährige Künstlerin, die auf der kommenden Venedig-Biennale neben Mohau Modisakeng Südafrika vertreten wird, ist lange nicht mehr prominent in Berlin aufgetreten – seit ihrer großen Soloschau 2008 in der Temporären Kunsthalle am Schlossplatz. „Love Story“, das vergangenes Jahr im Stuttgarter Kunstmuseum Premiere hatte, ist eine triumphale Weiterentwicklung eines ihrer damaligen Beiträge am Schlossplatz: von „Him“ und „Her“, einer politisch-psychoanalytischen Filminstallation zu Rollenbildern.

Damals arbeitete Breitz noch nicht mit Gastschauspielern, sondern bediente sich direkt beim Film, indem sie Szenen von Meryl Streep und Jack Nicholson benutzte. Ihre Produktion „Love Story“ nun soll in Berlin bleiben. Der Fonds Outset Germany, der die Produktion mitgefördert hat, überlässt nach Auskunft der Galerie ein Exemplar dem Hamburger Bahnhof.

KOW Galerie, Brunnenstr. 9, Fr 18–21 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr, dann bis 30. 7.; Mi–So 12–18 Uhr

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