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Ein Mann, ein Blick, eine Zigarette, das kann er gut, sagt Aki Kaurismäki. Hier steht er 2011 an der Tür eines tschechischen Videoladens.
© Imago

Monografie über Filmemacher Ari Kaurismäki: Wie haben Sie das gemacht, Herr Kaurismäki?

Aki Kaurismäki, Finnlands berühmtester Filmemacher, ist ein wortkarger Mensch. Um so schöner, dass Peter von Baghs Monografie „Kaurismäki über Kaurismäki“ so viele Interviews mit dem Regisseur enthält.

Die Melancholie, der Witz, die finnischen Schlager, der Schnaps. Dazu das Gesicht von Kati Outinen und das von Matti Pellonpää, der sture Blick von Jean-Pierre Léaud, die Einhorn-Tollen der Leningrad Cowboys: Aki Kaurismäkis Filme sind längst europäisches Kulturerbe. Höchste Zeit für ein Interview-Buch mit dem wortkargen Meister aus Finnland.

Wie er Regie führt? „Heimlich“, sagt Kati Outinen. Peter von Baghs Monografie „Kaurismäki über Kaurismäki“ erzählt von diesen Heimlichkeiten, davon, wie Kaurismäki den Schauspielern das Posieren austreibt, ihnen Anweisungen zuflüstert („vier Zentimeter an der Nase vorbeigucken“, „10 Prozent Stolz, 33 Prozent Traurigkeit“) und immer Musik zum Set mitbringt. Davon, wie er anfangs selbst schauspielerte und Jean-Pierre Léaud imitierte, bis er Léaud für „I Hired a Contract Killer“ vor die Kamera zurückholte. Der ahmte dann wiederum ihn nach, um sich selbst wiederzufinden. Verblüffend das Foto der beiden Sonnenbrillenträger beim Dreh: nicht auszumachen, wer hier wen kopiert.

"An Verlierern gibt es nichts auszusetzen", sagt Aki Kaurismäki

Kaurismäkis Geschichten reifen im Unterbewussten, bis er das Script in zwei, drei Tagen zu Papier bringt. Auch das erfährt der Leser: wie diskret Kaurismäki die Filmgeschichte in seine Bilder schmuggelt, Stummfilm- und Noir-Zitate, auch Ozu, Bresson, Buñuel. So entstanden alle seine Filme, „Ariel“ „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“, „Das Leben der Bohème“, „Der Mann ohne Vergangenheit“ oder „Le Havre“.

Das Geheimnis des Kaurismäki-Touchs: Realismus, Poesie, Sorgfalt. Peter von Bagh, der kürzlich viel zu früh gestorbene Doyen der finnischen Filmkritik, ist ein langjähriger Weggefährte des heute 57- jährigen, in Portugal lebenden Filmemachers. In kurzen Essays umkreist von Bagh die einzelnen Filme, befragt den Regisseur nach seiner Kindheit als Sohn eines Handlungsreisenden, nach Kinoerfahrungen, Romanlektüren, Farbtafeln, nach seinem Zorn über Gier und Kälte der Moderne, nach der Liebe zur Vorstadt, zu den Proletariern, den Arbeitslosen, den Verlorenen. Dazu Kaurismäki: „An Verlierern gibt es nichts auszusetzen. Sie sind nur nicht an Geld und Macht interessiert. Sie wollen ein wenig Liebe, Futter für den Hund und etwas zu trinken.“ Fast eine Selbstbeschreibung.

Das Cover von "Kaurismäki über Kaurismäki", mit einem Bild von Jean-Pierre Léaud in "I Hired a Contract Killer".
Das Cover von "Kaurismäki über Kaurismäki", mit einem Bild von Jean-Pierre Léaud in "I Hired a Contract Killer".
© Alexander Verlag

Kaurismäki: Über Solidarität in unsolidarischen Zeiten

Am liebsten möchte man sowieso nur Kaurismäki über Kaurismäki zitieren. Sätze über Solidarität in unsolidarischen Zeiten. Über Empathie und Einsamkeit. Über das Rauchen: „Ein Mann, eine Zigarette, ein sehnsuchtsvoller Blick – ich glaube, dass ich zumindest das beherrsche.“ Über seinen Minimalismus: „Am natürlichsten ist für mich ein Mensch vor einer Wand. Oder noch lieber ganz allein die Wand.“ Über sich: „In mir stecken 60 Prozent von einem Existentialisten, 20 Prozent von einem Kommunisten, 10 Prozent von einem Öko-Linken, 10 Prozent von einem Anarchisten, der Rest ist Wasser und normale Sozialdemokratie.“ Über uns: „Menschen laufen dann zur Hochform auf, wenn alles schiefgeht.“

Leider ist das Buch schlecht lektoriert oder übersetzt. Da finden sich elektrische statt elektronische Bits (gegen die Kaurismäki das Kino als Lichtspiel verteidigt), zahllose ungelenke Formulierungen. Dafür entschädigen die Fotos, manche Rarität ist dabei. Und die Vignetten über Schauspieler und Mitarbeiter, über den Schnaps, den Tango, die Hunde in den Filmen. Es ist immer Laila, Kaurismäkis Hund. Oder ein Kind von Laila. Oder ein Kindeskind.

Peter von Bagh: Kaurismäki über Kaurismäki. Aus dem Finnischen von Helmut Diekmann Alexander Verlag, Berlin 2014, 288 Seiten, 38 €.

Mehr zur Frankfurter Buchmesse: www.tagesspiegel.de/frankfurter-buchmesse

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