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Die Performances von Antonio Paucar sind unvergesslich. Der in Berlin lebende Peruaner ist auf er Art Week zu sehen.
© ifa Galerie

Kehrtwende, Chance, Katastrophe?: Wie Berliner Künstler und Kuratoren auf Corona reagieren

Die Pandemie zwingt den Kunstbetrieb zum radikalen Umdenken, das wird zum Start der Art Week deutlich. So wird sich die Berliner Kunstwelt verändern.

Die Teppiche und Keramiken sind in den Anden geblieben. Corona verhindert gerade, dass Objekte und Menschen zwischen Kontinenten reisen. Kuratorin Inka Gressel musste deshalb umdisponieren.

Statt Kunst aus dem argentinischen Hochland sind nun zur Art Week Werke der Berlinerin Rebecca Horn und ihres ehemaligen Meisterschülers Antonio Paucar in der Galerie des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) zu sehen.

Das Besondere daran: Die Werke stammen aus dem eigenen, gar nicht mal kleinen Kunstbestand des Instituts, der hier wenig bekannt ist.

Gressel kümmert sich in der ifa-Galerie vor allem um Tourneeausstellungen. Kunst aus Deutschland reist in andere Teile der Welt, oder umkehrt. Jetzt sagt die Kuratorin: „Unsere Art, Ausstellungen zu machen, wird sich ändern müssen.“ Wehmut ist bei ihr nicht zu spüren.

Der eigene Kunstbestand könnte in Zukunft öfter für Ausstellungen genutzt werden. Er setzt sich aus Werken von in Deutschland lebenden Künstlern zusammen, die für internationale Tourneen angekauft wurden. Ein interessantes Konvolut mit 23 000 Werken. Man könnte Kuratoren aus dem Ausland einladen, damit zu arbeiten, so Gressels Idee.

Alternative Konzepte sind gefragt

Wenn Kunst und Personen nicht reisen können, sind für den internationalen Kulturaustausch alternative Konzepte gefragt. Videoaufnahmen von Ausstellungen aus anderen Ländern sind eine Möglichkeit, um die Verbindung aufrechtzuerhalten. Aber ist das auf Dauer interessant genug?

Wird digitale Kunst die Oberhand gewinnen, weil sie einfacher zu handhaben und insgesamt ressourcenschonender ist? Wird objekthafte Kunst weniger werden? Gressel glaubt zwar, dass das physische Kunsterleben wichtig bleibt. Neu denken muss sie trotzdem.

Während Gastaufenthalte von Künstlern oder Kuratoren in Deutschland oft nur ein paar Tage dauern, sollten sie künftig länger sein. Das könnte Beziehungen nachhaltiger und intensiver machen.

Ausstellungen könnten ohne starre Anfangs- und Enddaten geplant werden, Kunst aus Deutschland im Ausland von Kuratoren vor Ort betreut werden. Das bedeutet weniger reisen, mehr Kommunikation, und vielleicht mehr Vertrauen.

Es braucht politische und strukturelle Änderungen

Mit ihren Ideen für einen nachhaltigeren Kunstbetrieb ist Gressel nicht allein. Viele Berliner Künstler, Kuratoren und Galeristen sehen in den Beschränkungen, die die Pandemie erzwingt, auch Chancen.

Dafür braucht es auch politische und strukturelle Änderungen. Das Bundesreisekostengesetz decke im Moment eher kurze Künstleraufenthalte ab, so Gressel. Solche Dinge müssten angepasst werden.

Bereits geplante Projekte, etwa einen Austausch mit Mexiko, will die Kuratorin lieber heute als morgen anpacken, auch wenn sie im Moment nur digital stattfinden können.

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„Den Künstlerinnen und Künstlern in Argentinien, Peru, Mexiko sind alle Ausstellungen weggebrochen. Für sie ist es wichtig, dass überhaupt etwas passiert“, sagt sie.

Neues für die nächsten Jahre sei hingegen nicht planbar. Selbst bei einer öffentlich finanzierten Institution wie der ifa-Galerie ist zu befürchten, dass die Budgets in den nächsten Jahren knapper werden.

Bei vielen geht es ums wirtschaftliche Überleben

In Berlin geht es jetzt immerhin wieder mit Ausstellungen los. Die von Wirtschafts- und Kultursenat finanzierte Art Week, das Gallery Weekend – in diesem Jahr sind sie wichtiger denn je.

Künstlerin Heidi Sill ist soeben in den Vorstand des Berufsverbands Bildende Künstler*innen (bbk berlin) wiedergewählt worden. Die Nöte ihrer Berufskollegen hat sie in den vergangenen Monaten hautnah mitbekommen.

Bei vielen geht es ums wirtschaftliche Überleben, manche brauchen gerade ihr Erspartes auf. Ausstellungen werden verschoben, Nebenjobs brechen weg. Da ärgert es Sill und den bbk berlin, dass die Corona-Selbstständigenhilfen des Bundes für Künstlerinnen nicht greifen.

Nur die Betriebskosten können abgefangen werden, die gibt es aber bei Künstlern kaum. Zur Finanzierung des täglichen Bedarfs bleibt nur Hartz IV.

Kauflust für Kunst lässt nach

Die Berliner Programme sind passgenauer. Sill lobt sowohl die 2000 Stipendien für Künstlerinnen aller Sparten, die Klaus Lederer neu ausgeschrieben hat, als auch das Programm für Kunst im öffentlichen Raum. 100 000 Euro bekommen die zwölf Berliner Bezirke jeweils, um Kunstprojekte zu beauftragen. Das hilft und hält Künstler im Job.

Persönlich stelle sie fest, so Sill, dass weniger Anfragen für Ausstellungsprojekte hereinkämen. Für Künstler werde der fehlende Austausch auf Eröffnungen und Events schnell auch zum existenziellen Problem. Ob Soft Openings, bei denen Gäste sich über einen ganzen Tag verteilen, beim Networking helfen, wird sich zeigen.

Aus einigen Berliner Galerien hört man indessen, dass die Kauflust für Kunst erst jetzt nachlässt, mit der Dauer der Pandemie und des privaten Rückzugs.

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