Museum für Bayrische Geschichte: Widerhaken in Weiß-Blau
Hauptsache unterhaltsam: In Regensburg hat das Museum der Bayerischen Geschichte eröffnet. Ein Rundgang.
Sie haben ihn vom Oktoberfest geholt, nun steht er im Eingangsfoyer: der große bayerische Löwe, der prostend einen Bierkrug hält. Ein Tier, das Bier trinkt? Nüchtern betrachtet ist das ein bisschen gaga, doch es trifft gut, was das neu eröffnete Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg will – nämlich unterhalten, Gefühle wecken, vielleicht ein bisschen belehren, jedenfalls nicht langweilen. Den Bayern werde ja, so sagt es der Museumsdirektor Richard Loibl, gerne „Theater und Theatralik“ nachgesagt.
Dieses Haus, das nun als modernes, in Grau gehaltenes Gebäude in der Regensburger Altstadt und direkt an der Donau steht, ist von der bayerischen Staatsregierung schon lange herbeigesehnt worden. Vor mehr als zehn Jahren hatte der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer die Order gegeben, dass sich Bayern auch museal präsentieren solle. Seehofer hat die Einweihung als Ministerpräsident knapp verpasst, im vergangenen Jahr war er von seinen CSU-Freunden aus dem Amt getragen worden.
Schau besticht durch viele Alltagsgegenstände
Zum Donaumarkt sind nun 1700 angemeldete Gäste gekommen, die gar nicht alle in den großen Saal passen. Es singen die Regensburger Domspatzen, Geistliche segnen das Museum, Ministerpräsident Markus Söder spricht von Identität und einer Liebeserklärung. Er platziert dabei auch wieder mal sein Bonmot, dass der Gardasee einmal zu Bayern gehört hat, aber: „Der Gardasee ging verloren, Franken kam hinzu.“
Wie nähert sich diese neue Dauerausstellung Bayern? Erst einmal, indem sie erfreulicherweise im Jahr 1806 mit dem Königreich Bayern beginnt. Alles, was davor geschah, von den Römern bis zum 18. Jahrhundert, kann sich der Interessierte in einer Multimediashow ansehen. So erreicht die eigentliche 2500 Quadratmeter große Ausstellung rasch das Ende des 19. und dann das 20. Jahrhundert.
Die Schau besticht auch durch sehr viele Alltagsgegenstände. An die 1000 werden gezeigt, 300 davon stammen von Bürgern, die auf den Dachböden und in den Scheunen nach möglichen Schätzen gesucht hatten. Glänzend ist natürlich der futuristisch-überladene Nymphenschlitten des „Märchenkönigs“ Ludwig II. mitsamt der angeblich ersten Glühbirne der Welt. Dazu gesellen sich als Widerhaken Kini-Kitsch-Requisiten für die Touristen der Gegenwart.
Viele kritische Elemente
Es sind solche Gegenüberstellungen, solche Kontraste, die in der Ausstellung nahezu durchgehend für Interesse und Spannung sorgen. In einem Raum etwa werden ganz in Weiß gehaltene Plastiken von bayerischen Gebäuden gezeigt. Da ist natürlich Schloss Neuschwanstein dabei, die BMW-Welt in München, aber auch das Jourhaus, das Eingangsgebäude zum ehemaligen KZ Dachau. Anderswo wird „CSU gleich Bayern?“ gefragt und eine Rede von Franz Josef Strauß abgespielt, bei der Demonstranten störten. Gegenüber erinnert die Ausstellung an den Widerstand in der Oberpfalz gegen die letztlich nicht gebaute atomare Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf.
Manche Ausstellungsstücke berühren einfach, da bedarf es keiner Erklärungen. Da ist ein Pappschild aus der NS-Zeit: „Hier starb ein Saboteur.“ Da ist der Teddybär des Mädchens Anneliese, den sie in Würzburg bei der Flucht vor der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg als Begleiter mitgenommen hatte. Da ist die um einen Baumzweig gewickelte weiße Fahne, als sich die Bürger von Neuendettelsau nach dem Krieg gegenüber den Amerikanern ergeben hatten.
Das Museum ist ein Statement
BMW-Oldtimer werden gezeigt, erwartungsgemäß ist das Interesse groß. Zu sehen ist der erste Eiswagen in Bayern von 1971, den der Italiener Giuseppe Guarino in Grafenau betrieben hatte. Thomas Gottschalks bayerischer Verdienstorden wird gezeigt, einige Zeichnungen des Münchner Karikaturisten Horst Haitzinger oder das Bühnen-Sakko von Günther Sigl, dem Sänger der Spider Murphy Gang. Manche Aussagen der Schau sind erfreulich eindeutig, etwa: „Entnazifizierung gescheitert.“ Zum Thema Landschaft und Umwelt heißt es: „Idyll bis kaputt.“
Das Museum ist auch ein Statement, die Staatsregierung will zeigen, dass das Land weiter Saft und Kraft und Geld hat. Die Baukosten lagen bei 88 Millionen Euro. Ist das Gebäude des Frankfurter Architekten Stefan Traxler die von manchen Regensburgern kritisierte „Monsterarchitektur“, ein in die Altstadt gedonnerter grober Klotz? Keineswegs, es ist im Gegenteil sorgsam gestaltet und passt sich vielleicht sogar etwas zu sehr der Umgebung an.
„Bleibt am Ende nur mehr das Klischee?“, lautet eine Frage. Die Antwort gibt es nicht. Dafür bereitet es Vergnügen, die bayerische Politik- und Society-Szene zu betrachten. Draußen auf der Terrasse an der Donau flanieren der Kabarettist Django Asül oder jene hohe Beamtin, die für die oft als unwürdig kritisierte Unterbringung von Flüchtlingen in den „Ankerzentren“ verantwortlich ist. Die Fürstin Gloria von Thurn und Taxis – einst Skandalnudel, heute erzreaktionär – ist auch da. Sie haben sie gleich neben den Herzog Franz von Bayern und Markus Söder platziert.
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