Frank Castorf bei den Bayreuther Festspielen: Werkstatt? Schrottplatz!
Siegt bei den Wagner-Festspielen die Langeweile? Regisseur Frank Castorf haut auf die Pauke: die ersten Signale des Bayreuther Sommertheaters.
Es ist schon eine echte Traumtheaterpaarung: Frank Castorf und die Bayreuther Festspiele. Beinahe wäre das einem wieder entfallen, dabei hatte sich der Volksbühnen-Chef zur Premiere seiner „Ring“-Inszenierung im vergangenen Sommer herzhaft ins Zeug gelegt. Castorf verglich die Bayreuther Produktionsbedingungen mit denen einer Daily Soap und die Atmosphäre in Wagners Festspielhaus mit der DDR. Wahrscheinlich wollte er unter Zuhilfenahme seines Berliner Charmes lediglich sagen, dass er sich dort wohlfühlt. Was sich dennoch niemand vorzustellen vermochte: Wie Castorf in den folgenden Sommern immer wieder nach Franken fahren und artig Weißbier trinkend weiter an seinem „Ring“ feilen würde, in der legendären „Werkstatt Bayreuth“. Der Sommer kam und es wurde so ruhig um den „Ring des Nibelungen“, dass man der Fassade des Festspielhauses beim Rieseln zuhören konnte. Gespenstisch!
Zum Glück hat Castorf sich auf den letzten Drücker doch noch gemeldet vom Grünen Hügel, mit einem langen Interview im „Spiegel“. Und ist umfassend erzürnt. Bereits vier Wochen hatte er geprobt, als er erfuhr, dass Martin Winkler, der Sänger seines Alberich, durch die Festspielleitung ausgetauscht wurde. „Die Stürme haben sich gelegt, die Langeweile hat gesiegt“, ätzt Castorf und droht mit seinem Anwalt Gregor Gysi. Die Festspiele selbst räumen auf Nachfrage ein, dass die Sache mit der stillschweigenden Alberich-Umbesetzung „nicht optimal“ gelaufen sei. Castorf habe sein „Rheingold“ stark auf den „Typ“ Winkler zugeschnitten. Dennoch probe der Regisseur nun intensiv mit der Neubesetzung.
Größte Gefahr für Castorf: Arbeiten müssen, ohne Not zu spüren
Hinter den Kommunikationsausfällen auf dem Grünen Hügel lauert für Castorf eine viel größere Gefahr: arbeiten müssen, ohne Not zu spüren. Verfeinerung ist nicht seine Sache, wie der Regisseur beteuert: „Um jetzt wirklich etwas Neues zu finden, müsste ich alles wieder zerschlagen und neu erfinden, das ist meine Grundtechnik“, ließ er den „Spiegel“ wissen. Einer wäre von dieser Äußerung entzückt: Wagner selbst, zu dessen 200. Geburtstag Castorf den „Ring“ anrichtete. Der wollte, dass das Festspielhaus mit der Götterdämmerung abbrennt. Erben sehen dergleichen naturgemäß anders. Castorf hat das Zeug zu einem großen Wagner-Interpreten. Nur darf man ihn nicht in eine Werkstatt sperren, sondern sollte ihn nach Belieben über den Schrottplatz der Geschichte ziehen lassen.
Noch ein Wort zu Wagner-Fan Angela Merkel: Sie kommt diesmal nicht zur Eröffnung nach Bayreuth, wohl aber zu Castorfs „Siegfried“. Es ist jener Teil der Tetralogie, in dem sich der junge Held eine Kalaschnikow schmiedet und Fafner auf dem Alex mit einer dröhnenden Salve niederstreckt. Bei der Premiere 2013 musste ein Zuschauer aus dem Saal gerettet werden. Die Festspiele hatten im Programmzettel darauf hingewiesen, dass die Schüsse als gesundheitlich unbedenklich gemessen worden seien. Nur: Wenn es in Bayreuth knallt, ist das Echo noch immer größer als anderswo.
PS: Von Herrn Gysi ist bislang keine Post auf dem Grünen Hügel eingetroffen.