Literaturnobelpreisträger Patrick Modiano im Wortlaut: Wer bin ich und was will ich mit Literatur?
Patrick Modiano, Gewinner des Literaturnobelpreises 2014, gibt selten Interviews, er scheut das Rampenlicht. Hier lesen Sie ihn trotzdem im Wortlaut: Zitate aus seinen Büchern und Selbstauskünfte aus verschiedenen Quellen.
Zitate des französischen Literaturnobelpreisträgers Patrick Modiano
„Ich bin ein Hund, der so tut, als habe er einen Stammbaum. Meine Mutter und mein Vater gehören zu keinem bestimmten Milieu. So wackelig, so ungewiss sind sie, dass ich mich bemühen muss, ein paar Spuren und Markierungen in diesem Treibsand zu finden, so wie man sich bemüht, mittels halb verwischter Briefe ein Formular zum Personenstand oder einen amtlichen Fragebogen auszufüllen.“
(„Ein Stammbaum“, 2005)
„Ich bin ein Lumpensammler, der das Vorgefundene in ein bisschen Rätselhaftigkeit wickelt.“
(„FAZ“, 27. 6. 2006)
„Ihr Dasein hat sich noch nicht abgelöst von der Umgebung: Es ist eins mit den Häuserfassaden und den Gehsteigen. Dem Asphalt, der geflickt ist wie ein alter Stoff, sind Daten eingeschrieben, welche die aufeinanderfolgenden Teerungen bezeichnen, vielleicht aber auch Geburten, Rendezvous, Todesfälle.“
(„Eine Jugend“, 1981)
„Er hatte sich immer vorgestellt, er könnte in den hintersten Winkeln gewisser Viertel die Personen wiederfinden, denen er in seiner Jugend begegnet war, mit ihrem Alter und ihrem Aussehen von einst. Sie führten dort ein Parallelleben, gefeit gegen die Zeit ...“
(„Der Horizont“, 2010")
"Ich habe immer geglaubt, dass manche Orte Magnete sind und dass man angezogen wird, sobald man in ihre Nähe kommt. Und zwar auf unmerkliche Weise, ohne dass man etwas ahnt.... Eine abschüssige Straße kann schon genügen, ein sonniges Trottoir oder ebenso gut ein Trottoir im Schatten.“
("Im Café der verlorenen Jugend“, 2007)
„Als ich durch die Straßen Berlins ging, sagte ich mir: Diese Stadt hat mein Alter. Sie ist ... aus dem totalen Chaos entstanden. Trotz der Restaurierungen, der Neubauten, dem ganzen neuen Schliff trägt sie dessen Spuren in den Baulücken, Bruchstellen und versandeten Rändern.“
(„FAZ“-Interview, 6. 3. 2010)
„Man muss einen Fixpunkt finden, damit man im Leben nicht so endlos dahintreibt.“
(„Die Kleine Bijou“, 2001)
„Von allen Satzzeichen bevorzugte er das Fragezeichen.“
(„Ein so junger Hund“, 1993)
"Die Wirklichkeit ist immer fragmentarisch. Manchmal begegnet man jemanden und dann verliert man ihn aus den Augen. Man vergisst Dinge, freiwillig oder nicht. Man belügt sich selbst. All das formt sich zu einer Menge von Bruchstücken. Außer vielleicht in einem Polizeibericht. Und selbst da kann es Irrtümer geben."
("L'Express", 1.10.2003)
„Ich habe nichts zu bekennen, nichts zu erhellen, und ich verspüre keinerlei Neigung zu Introspektion und Gewissenserforschung. Im Gegenteil, je dunkler und geheimnisvoller die Dinge blieben, desto mehr haben sie mich immer interessiert.“
( „Ein Stammbaum“, 2005)