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Leiko Ikemura im Haus am Waldsee: Wenn Japans Kirschblüte grüßt

Die japanische Künstlerin Leiko Ikemura ist bekannt für schwermütige Gemälde. Im Berliner Haus am Waldsee zeigt sie mit ihren Pastellen eine völlig andere Seite.

Ein Sommergastspiel, luftig, leicht, nur zwei Wochen lang, doch Leiko Ikemura pflockt damit eine neue Position ein – von wegen sonnig und seicht. Die japanische Künstlerin ist eher bekannt für schwermütige Gemälde, Landschaften zumeist. Als Bildhauerin schafft sie halb-abstrakte Mädchenfiguren, die jene Bilder zu träumen scheinen. Im Haus am Waldsee präsentiert sie nun eine völlig andere Seite. Sie geht zugleich einen Schritt vor und zurück.

Mit ihren neuen Pastellen bezieht sich die Künstlerin auf Farbholzschnitte von Utagawa Hiroshige (1897–1853), der Anfang der dreißiger Jahre des 19. Jahrhundert seine berühmte Serie der „53 Stationen der Tokaido“ schuf. Hiroshiges Ansichten der Überlandverbindung von Edo nach Kyoto entlang der japanischen Ostküste waren damals Kult, sie fanden reißenden Absatz als Touristensouvenir. Heute hängen sie im Museum. So lieh das Berliner Museum für Asiatische Kunst dem Haus am Waldsee zehn Blätter aus, um sie im Dialog mit den zeitgenössischen Zeichnungen zu präsentieren.

Die Hinwendung zur Vergangenheit, die Besinnung auf die Heimat, die Ikemura vor vierzig Jahren verlassen hat, um in Europa zu studieren, stellt gleichsam einen Schritt zurück dar. Zugleich steckt darin eine Vorwärtsbewegung, eine Befreiung, denn als Künstlerin der japanischen Nachkriegsgeneration, die sich vehement nach Westen orientierte, kam eine Beschäftigung mit der eigenen Kunstgeschichte nicht infrage. Kirschblüten waren ein „No-Go“, so Ikemura. Heute schert sie sich nicht mehr um solche Vorgaben. Katja Blomberg, Leiterin des Hauses am Waldsee, vergleicht diese Unabhängigkeit im Alter mit David Hockney, der inzwischen Christusbilder malt – eigentlich auch ein Unding.

Duftig-zarte Pastelle wie ein Frühsommertag

Das Ergebnis dieser Unbekümmertheit sind Pastelle, duftig-zart wie ein Frühsommertag und doch von einer Kraft und Präzision, die Ikemura als souveränes Gegenüber der berühmten „Tokaido“-Serie ausweist. Zu sehen sind die Berge, die Brücken, das Meer wie beim historischen Vorbild, doch Ikemura huscht mehr darüber hinweg, wählt ihre eigenen Farben. Hiroshiges blauer Streifen, der als Farbabgleich alle seine Drucke bekrönt, ist bei ihr mal rot, mal gelb, mal grün.

Die Ausstellung im Haus am Waldsee ist ein Praeludium, so auch ihr Titel. Im Frühjahr 2016 folgt eine Einzelausstellung der Berliner Künstlerin, die seit 1991 an der UdK lehrte und in diesem August emeritiert ist. Die Zeit für Überraschungen fängt gerade erst an.

Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, bis 6. September; Die bis So 11–18 Uhr.

Nicola Kuhn

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