Architekturwettbewerbe: Wenn der Sieger leer ausgeht
Trotz vieler Wettbewerbe haben oft andere darüber entschieden, was letztlich gebaut wird - in London, Washington, Paris, aber auch Berlin. Eine Tagung an der TU hat sich jetzt mit Fluch und Segen der Architekturwettbewerbe auseinandergesetzt.
Noch in diesem Jahr soll es die erste Runde des Architekturwettbewerbs für das geplante Museum der Moderne geben. Die jahrzehntelange, fruchtlose Diskussion um die Vollendung des Kulturforums könnte endlich zu einem guten Ende kommen. Alle Beteiligten erhoffen sich wahre Wunder vom Wettbewerb. Doch waren es in historischer Perspektive stets Wettbewerbe, die die Museumsbauten gezeitigt haben?
Wohl eher nicht – so das Fazit einer ertragreichen Tagung der Technischen Universität, die sich den Wettbewerben zur Museumsarchitektur zwischen 1851 und 1914 gewidmet hat. Ausgangspunkt für die Tagungsorganisatoren um Nikolaus Bernau war der Berliner Wettbewerb für die Museumsinsel von 1883/84, der 52 Einreichungen erbrachte, aber kein baubares Ergebnis. Die zweite Runde des Wettbewerbs wurde nie durchgeführt. Interessant aber, dass schon damals ein Museumsgebäude auf der Spitze der Insel, jenseits der Stadtbahn skizziert wurde, wie es erst 1904 mit der Eröffnung des Kaiser-Friedrich-, des heutigen Bode-Museums Wirklichkeit wurde. Das aber entstand per Direktauftrag Kaiser Wilhelms.
Nirgends wurden im 19. Jahrhundert so viele Wettbewerbe durchgeführt wie in Deutschland – 68 bis zum Ersten Weltkrieg. In Frankreich hingegen, das sich stets als Mutterland der Kultur verstand, lediglich acht. Und auch die betrafen nur Häuser in der Provinz, nicht jedoch in Paris. So berichtete Arnaud Bertinet (Paris) über das von lokalen Honoratioren geschaffene Musée Napoléon im nordfranzösischen Amiens. Die Hauptstadt hingegen war eine nationale Angelegenheit.
Die Errichtung eines Museums zeitgenössischer Kunst, wie es bereits 1818 auf Veranlassung des nach-napoleonischen Königs Ludwig XVIII. im Luxembourg-Palast eingerichtet worden war, wurde zu einer hochpolitischen Angelegenheit – und dementsprechend zu einer Hängepartie, die erst mit dem Bau gleich zweier Moderne-Museen zur Weltausstellung im Jahr 1937 beendet werden konnte. Über das Luxembourg-Drama berichtete Julien Bastoen (Paris), der zugleich eine Fülle Idee gebliebener, teils wahrlich fantastischer Architekturentwürfe für die unterschiedlichen Standorte in Paris präsentierte.
In London musste sich der Wettbewerbsgewinner mit einem Anbau begnügen
Jenseits des Ärmelkanals war es ebenfalls die Politik, die einen Museumsbauwettbewerb erst durchführen und dann versanden ließ. 1866 rief das britische Parlament, das 40 Jahre zuvor mit dem Ankauf der Sammlung Angerstein die National Gallery begründet hatte, zwölf renommierte Architekten zu einem Wettbewerb für die Ersetzung des ursprünglichen, 1838 fertiggestellten Galeriebaus am Trafalgar Square auf. Zehn Architekten reichten schließlich Vorschläge ein, die – wie Alan Crookham (London) zeigte – heillos zwischen italienischer Renaissance und viktorianischer Neogotik changierten und von der Kritik ausnahmslos verrissen wurden. Die Abgeordneten votierten schließlich für die einfachste Lösung: am Trafalgar Square zu bleiben und nicht etwa ins neue Museumsviertel von South Kensington auszuweichen sowie lediglich den Erstbau zu ergänzen, statt ihn nach Abriss zu ersetzen. E. M. Barry – der Sohn des Parlaments-Erbauers Charles Barry – ging zwar als Sieger aus dem Wettbewerb hervor, doch wurde er zu seiner Enttäuschung mit der Erweiterung des bestehenden Bauwerks abgefunden. Er schuf die noch heute so bezeichneten „Barry Rooms“ der Nationalgalerie.
Ingesamt fällt die Bilanz des Instruments "Architekturwettbewerb" für das 19. Jahrhundert bescheiden aus
England und vor allem London bietet überhaupt reiches Anschauungsmaterial zur Geschichte der Museen. Giles Waterfield (London) hielt einen beeindruckenden Eröffnungsvortrag zur Lage der Arbeiterschaft in England, die erstmals bei der Weltausstellung in London 1851 dank des „One Shilling Day“ Zugang zu Artefakten gleich welcher Art erhielt. In den folgenden Jahrzehnten entstanden überall in England Museen, vor allem in den Industriegebieten des Nordens. Großartige Bauten führte Waterfield per Lichtbild vor, in Städten wie Newcastle oder Preston, die heute als Modernisierungsverlierer in Agonie liegen.
Im Mittelpunkt steht das Victoria & Albert Museum, gegründet 1852 als South Kensington Museum und durch seinen spiritus rector, Prinzgemahl Albert, dem deutschen Bildungsgedanken verbunden. Tatsächlich aber verfolgten das V&A und die vielen anderen englischen Museen eher praktische Ziele, zunächst der Vorbildsammlung für Handwerk und Industrie, dann immer stärker der Volksbildung nach Art von Volkshochschulen. In South Kensington entstand, was der Volksmund seinerzeit „Albertopolis“ nannte – ein Quartier von Kulturinstitutionen, allerdings durch private Initiative und auf privatem Grund und Boden. Das erklärt – wie Julius Bryant (London) ausführte –, warum das überaus dicht bebaute Areal zahlreiche Privathäuser aufweist, die der Refinanzierung dienten.
War „Albertopolis“ eine letztlich private Initiative, so verhält es sich an Washingtons Mall, dieser Aufreihung großer und größter Museumsbauten zwischen Kapitol und Washington-Denkmal, gerade umgekehrt: Hier wollte von Anfang an die „Union“ ein Zeichen setzen. Phoebus Panigyriakis (Athen) zeigte, wie stark der ursprüngliche Stadtentwurf von Pierre Charles L’Enfant von 1792, vor allem aber der spätere, nach einem Senator benannte McMillan-Plan von 1901, der erstmals explizit die Bebauung der Mall mit Museen vorsah, von Vorbildern des französischen Absolutismus wie Versailles beeinflusst ist.
Insgesamt fällt die Bilanz des heutzutage so selbstverständlichen Instruments „Architekturwettbewerb“ für das lange, von 1789 bis 1914 reichende 19. Jahrhundert bescheiden aus. Politische Einflussnahme dürfte am ehesten als gemeinsamer Nenner gescheiterter Konkurrenzen zu nennen sein. Das gilt bis heute – und mit dem Kulturforum besitzt Berlin ein besonders trübes Beispiel. Es bleibt nichts anderes, als auf einen glücklichen Ausgang des anstehenden Berliner Wettbewerbs zu hoffen.