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Wir sind Pop. Die Internetkonferenz re:publica ging am Freitag zu Ende.
© Jens Kalaene/dpa

MeToo auf der re:publica: Weibliche Vorbilder gesucht

Gegen das Klischee der Quotenfrau: Die re:publica diskutiert über Frauenbilder im Pop, die Bedeutung von Sprache und die Folgen von MeToo in der Filmbranche.

Auf der re:publica geht es nicht nur um Algorithmen und Blockchains. Auch die Verbindung digitaler Fragen mit Musik, Literatur und Film ist ein Thema auf der Digitalkonferenz, die dieses Jahr unter dem Motto „Pop“ stattfindet. Dabei spielt eine Bewegung eine zentrale Rolle, die Kultur und Gesellschaft in den vergangenen Monaten geprägt hat: MeToo.

Unter dem Titel „Reading #metoo“ halten die Kulturmanagerin Thea Dmyke und die Dramaturgin Änne-Marthe Kühn am Mittwochabend eine „analytische Sexismus-Lesung“ ab. Auf teils amüsante, teils verstörende Weise schneiden die beiden Zitate aus Literatur, HipHop, Journalismus, Philosophie und Online-Foren gegeneinander. Vom stumpfen Sexismus eines Charles Bukowski („Feminismus existiert nur, um hässliche Frauen in die Gesellschaft zu integrieren.“) über den noch stumpferen Frauenhass Farid Bangs („Sie ist eine kleine Bitch, die auf ihr Frauenrecht beharrt / Sie und deine Schwester sind für Frauen recht behaart“) bis hin zu Reflektionen über die Bedeutung der Sprache von Ludwig Wittgenstein und Judith Butler („Gewalt ist die Macht, den anderen sprachlos zu machen.“).

Ein neues Sprachbewusstsein muss her

Sprache beschreibt nicht nur die Welt, sondern prägt diese auch. Ein neues Sprachbewusstsein könne die Gesellschaft verändern, sind sich Dymke und Kühn einig. Die beiden liefern eine starke Lese-Performance, die gegen Ende leider etwas seicht wird, wenn sie einen „fröhlichen Feminismus“ und mehr „Lovespeech“ fordern.

Um Frauen im Pop geht es am Mittwoch bei einem Musikjournalismus-Panel mit Jens Balzer, Steffen Greiner, Annett Scheffel und Ariana Zustra. Die These: Noch nie waren Frauen im Pop so sehr Subjekt und inszenieren sich gleichzeitig selbst so sehr als Objekt: In Videos, auf der Bühne und in den sozialen Medien. Die Teilnehmenden sprechen über Lieblinge der Kritik wie Janelle Monae, Solange, FKA Twigs und Kelela, die ihre Körper in den Mittelpunkt ihrer Arbeiten stellen. Ihnen wird vom Panel ein selbstbestimmter Umgang mit der eigenen Sexualität attestiert. Die Sängerin Kelela etwa spiele mit einer Ambivalenz von Dominanz und Verletzlichkeit – da passt es auch, dass sie auf ihrem Album-Cover nackt erscheint.

Als die Sprache auf Helene Fischer kommt, ändert sich der Diskurs. Jens Balzer sieht in ihr die Vertreterin eines „nihilistischen Postfeminismus“, wobei sie „roboterhaft desinteressiert“ wirke. Steffen Greiner fügt hinzu, Fischer sei „aufreizend und asexuell“, eine „post-sexuelle Sporty Spice“. Die Frage danach, ob es als Mann überhaupt legitim sei, über Frauenkörper zu reden, kam gleich am Anfang des Panels auf. Wie Männer hier über die mangelnde Verruchtheit der Sängerin philosophieren, wirkt tatsächlich etwas befremdlich und bestätigt: Nur weil es erfolgreiche Sängerinnen gibt, sind die patriarchalen Strukturen im Pop längst nicht überholt.

Männer bekommen mehr Filmfördergelder

Zum Ursprung von MeToo kehrt die Veranstaltung am Freitag zurück, als einflussreiche Frauen der deutschen Film- und Fernsehindustrie im Rahmen der Media Convention über „MeToo als Weckruf“ diskutierten. Kirsten Niehuus, Geschäftsführerin des Medienboard Berlin-Brandenburg, liefert dabei die kampfeslustigsten Redebeiträge. Fast alle Frauen hätten bereits Situationen erlebt, in denen mächtige Männer respektlos oder übergriff geworden seien – sie selbst eingeschlossen. Es gelte daher, nicht nachzulassen und eine echte Revolution zu starten. Sie kritisiert das Klischee der Quotenfrau und stellt fest, dass kein Mann jemals sagen würde: „Ich bin zwar doof, habe den Job aber trotzdem bekommen.“

Steffi Ackermann von Warner Bros. freut sich über die größere Transparenz bei Förderentscheidungen von Filmprojekten, zu der MeToo geführt hat. Weiterhin würden aber hauptsächlich Projekte von Männern mit großen Summen gefördert. Die Produzentin Nanni Erben sieht zwar den Sinn von MeToo, fürchtet aber Hysterie und betont, dass sie selbst Projekte strikt nach der Qualität auswähle. Dem widerspricht die britisch-amerikanische Autorin Anna Winger. Qualität könne man nur durch Erfahrung bekommen, und die können gerade im Filmbusiness oft nur Männer machen. Winger, die unter anderem das Drehbuch zur Serie „Deutschland 83“ mitschrieb, sieht Deutschland im Vergleich zu Skandinavien oder England weit hinterher: „Wenn ich hier arbeite, bin ich immer die einzige Frau.“ Das Fazit: Es braucht mehr Diversität vor und hinter der Kamera. Auch, damit es sichtbare Vorbilder für andere Frauen gibt.

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