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Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) wirbt beim Messerundgang für den "Grünen Knopf".
© Patrice Brylla

Modemesse Neonyt auf der Fashion Week: Wann kommt das Nachhaltigkeitssiegel Grüner Knopf?

Berliner Modewoche: Auf der Neonyt, der Messe und Ideenbörse für Nachhaltigkeit, geht es einen Schritt vor und manchmal zwei zurück.

Einen Hintern in der Hose zu haben, zeugt von Charakterstärke. Eine Hose zu haben, die einen schönen Hintern macht, ist vielen Jeansträgern und -trägerinnen ebenso wichtig. Für 42 Prozent ist die Passform das wichtigste Kriterium beim Jeanskauf. Allerdings sagen 66 Prozent, dass sie bereit wären, für eine nachhaltig produzierte Jeans mehr zu bezahlen.

Die wenigen europäischen Jeansproduzenten wissen, dass sie gegen die Global Player im Business nur mit nachhaltiger Innovation und Ästhetik bestehen können. In den letzten Jahren haben sie viele Anstrengungen unternommen, um sich vom Schmuddelkind der Textilindustrie zum Musterknaben zu wandeln. Kostenlose Reparaturdienste und kuratierte Second-Hand-Verkäufe sind bei Labels wie Nudie Jeans schon gang und gäbe.

Mud Jeans bietet bereits einen Service an, bei dem man die Jeans gegen eine monatliche Gebühr leasen kann, damit sie an ihrem Lebensende wieder zu ihnen zurückkommt und wiederverwertet werden kann. Für nächstes Jahr hat Mud Jeans die erste Jeans aus 100 Prozent recycelter Baumwolle angekündigt. Wo keine neue Baumwolle benötigt wird, wird über technische Innovationen hinaus in einem Maß Wasser gespart, an das auch Biobaumwolle nicht herankommt.

Diese Innovationen ließ sich Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am Dienstag bei einem Rundgang auf der Neonyt zeigen. Auch er ein Mann mit Hintern in der Hose, der beharrlich gegen alle Widerstände an der Einführung seines textilen Nachhaltigkeitssiegels Grüner Knopf arbeitet. Dieses Metasiegel soll die Kriterien der vielen individuellen Zertifikate mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen konsumentenfreundlich vereinheitlichen.

Ab Herbst wird sich zeigen, ob der Grüne Knopf Substanz hat

Umso mehr erstaunte es, dass der Grüne Knopf nun doch nicht, wie angekündigt, Anfang Juli und damit wohl auf der Neonyt lanciert wurde. Nachdem der Verband Mode+Textil noch Anfang des Jahres gewarnt hatte, dass das ein Schnellschuss und Reinfall würde, möchten nun der Pressestelle des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zufolge derartig viele Labels zu den Gründungsmitgliedern gehören, dass der Start auf September verschoben wurde, um die gestellten Nachhaltigkeitskriterien bei den Antragstellern prüfen zu können.

Das ist aufwendig. Daher müssen die Firmen bisher als Voraussetzung andere Öko- und Sozial-Siegel vorweisen wie beispielsweise GOTS oder Fairtrade. Auf die Weise fallen jedoch Labels durchs Raster, die die Kosten einer Zertifizierung lieber in die Produktion stecken und stattdessen auf umfassende Transparenz in Sachen Nachhaltigkeit setzen.

Aber auch für große Unternehmen wie Textil-Discounter Kick, die bisher keine Zertifikate vorweisen können, wird es wohl nichts mit der Gründungsmitgliedschaft. Ab Herbst wird sich zeigen, ob der Grüne Knopf Substanz hat oder alles viel heiße Luft war. Apropos: CO2 spielte in diesem Jahr auf der Neonyt und auch auf der Konferenz Fashion-Sustain kaum eine Rolle. Nach den Schreckensmeldungen des letzten Jahres zur Erderwärmung scheint sich das überaus anspruchsvolle Thema vorerst wieder verflüchtigt zu haben.

Ingolf Patz

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