Berliner Philharmoniker: Von der Lust des Lauschens
Die Berliner Philharmoniker spielen Schostakowitschs 1. Cellokonzert mit Gautier Capucon und Strauss' "Heldenleben" mit Semyon Bychkov
Selten hält ein Publikum so lange inne wie nach diesem „Heldenleben“. Stille im Saal, niemand regt sich. Diese Scheu vor dem Schlussapplaus – der ja nicht nur rühmt, sondern immer auch zerstört – rührt zunächst wohl daher, dass die Dreiviertelstunde Richard Strauss soeben mündete in ein wundersames Klangerlebnis, einen sich drehenden, sich wölbenden Orchesterakkord, der in mehrere Dimensionen auszufahren schien.
Klänge wie diese schüchtern ein; sie können andererseits die Mühsal stundenlangen Übens ausgleichen oder die Erfahrung eines ziemlich durchwachsenen Konzertabends. Und durchwachsen ist dieser Abend mit den Berliner Philharmonikern tatsächlich. Semyon Bychkov ist, zum Beispiel, kein fein ziselierender Dirigent. Charakteristisch für sein „Heldenleben“ ist der Eindruck eines Meeres von Musikern, das er mehr in Sturm bringt als kontrolliert, mit allen Folgen für das Zusammenspiel: Hier setzt ein Cello mit Verve zu früh ein, dort sind die großen Melodiebögen etwas roh gezogen.
Jedes Instrument darf sich hier in bestem Licht zeigen
Dennoch überwiegen die positiven Eindrücke. Denn Bychkov stört das Orchester ja auch nicht, im Gegenteil, er erlaubt es den Philharmonikern, bei sich zu sein, gewissermaßen unter sich selbst zu spielen. Niemand drängelt in den Vordergrund, alles hört aufeinander, wie überhaupt das Strauss’sche „Heldenleben“ ja eine Art Verwöhnpackung für Orchester ist (wenn auch eine sehr fordernde), weil es den einzelnen Instrumenten erlaubt, sich in allerbestem Licht zu zeigen.
Weite Teile dieser Musik sind ohnehin geprägt von einem internen Dialog, hier zwischen dem großartigen Solohornisten Stefan Dohr und Konzertmeister Noah Bendix-Balgley. Letzterer timbriert seine Partie unfassbar schön, mit einem feinen Gespür dafür, wie sehr die Melodie-Kapriolen, die Strauss der „Gefährtin“ seines „Helden“ zugedacht hat, am schmalen Grat zwischen Solo- und Ensemblespiel situiert sind. Auch vor solchen Leistungen verbeugt sich das Publikum.
Gautier Capucon spielt sein Cello zünftig, ganz ungekünstelt
Eingestimmt auf die Wahrhaftigkeit, die diesen Abend durchzieht, wurde es indessen durch den jungen Franzosen Gautier Capuçon, der das Solo in Schostakowitschs erstem Cellokonzert übernimmt und nicht allein das charakteristisch puckernde Namensmotiv D-es-c-h mit gerader, zünftiger, unverstellter Tongebung spielt. Capuçon gibt das Bild eines Cellisten ab, der wenig kalkuliert, schon gar nichts wissen will von jener Mischung aus Blasiertheit und nervöser Erregung, die mit diesem Instrument so oft verbunden wird.
Christiane Tewinkel