zum Hauptinhalt
Große Pläne. Julia Wallner leitet das Georg Kolbe Museum seit März
© Doris Spiekermann-Klaas

Die neue Leiterin des Georg Kolbe Museums: Von den Rändern aus gucken: Ein Porträt von Julia Wallner

Julia Wallner leitet jetzt das Georg-Kolbe-Museum. Die Ausstellung „Farbe Raum Farbe“ zeigt, was sie mit dem Haus vorhat.

Julia Wallner hat dem Georg-Kolbe-Museum einen neuen Anstrich verpasst. Die Kunsthistorikerin, die das ehemalige Wohn- und Atelierhaus des Bildhauers Kolbe in Grunewald seit März leitet, lässt mit der Ausstellung „Farbe Raum Farbe“, einer der ersten Schauen unter ihrer Ägide, acht Künstlerinnen und Künstler direkt in den Raum eingreifen.

Mit einer großflächig schwarz-weiß bemalten Wand begrüßt Christine Rusche die Besucher. Das Muster antwortet auf eine von Kolbes berühmtesten Plastiken, die allegorische Frauenfigur „Große Nacht“ von 1926/30. Dynamisch gezackten Linien entsprechen der verschränkten bis tänzerischen Armhaltung der Bronzefigur. Im Übergang zwischen Atelierhaus und Neubau hat die Malerin Elisabeth Sonneck die Wände in Streifen aus zartem Lila, Grün, Gelb und Blau gelegt. Sie hat die Maße dieses kleinen Raumes in Farbfelder übersetzt, jedoch nicht eins zu eins, sondern gespiegelt und axial gedreht. Damit nimmt sie Bezug auf Kolbes Plastiken, die trotz aller Statuarik in sich immer einen kleinen Dreh haben. Sind diese Arbeiten nun Bildhauerei, weil sie mit dem Raumgefühl arbeiten, oder doch eher Malerei? Und was ist mit dem Beitrag von Rainer Splitt, der eine große, leicht erhabene rote Farblache aus Kunstharz über den Atelierboden gegossen hat und damit das Tröpfeln und Spritzen auf den Leinwänden der amerikanischen Abstrakten Expressionisten zitiert?

Schon unter der Vorgängerin Ursel Berger hat sich die Institution nicht nur dem Werk dieses Bildhauers gewidmet, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der populärste Deutschlands war, sondern den Blick auf andere Künstler geweitet. 2008 holte Berger den zwanzig Jahre jüngeren Kunsthistoriker Marc Wellmann als Experten fürs Zeitgenössische ans Haus. Unter Julia Wallner werden sich die Grenzen des Skulpturalen noch ausweiten. „Ich möchte von den Rändern aus gucken, was Bildhauerei ausmacht“, sagt sie. Sich auf eine Gegenüberstellung von figürlichen und abstrakten Skulpturen zu beschränken, ist ihr zu langweilig. Die aktuelle Ausstellung im Grenzbereich von Malerei und Installation ist ein erster Vorgeschmack, wohin es mit dem Georg-Kolbe-Museum gehen könnte.

Mit offenen Armen sei sie empfangen worden, sagt die 1974 in Stuttgart geborene neue Direktorin, die Kunstgeschichte, Politikwissenschaft und Germanistik in Freiburg, Marburg und Madrid studiert und über das Werk der amerikanischen Künstlerin Jenny Holzer promoviert hat. Und doch ist der Anfang nicht leicht. Ursel Berger hat das Museum legendäre 35 Jahre lang geleitet und geprägt, sie ist eine renommierte Kennerin von Kolbes Leben und Werk. Es gibt einen engagierten Freundeskreis, der sich sehr mit dem Museum identifiziert. Zudem ist Julia Wallner einen modernen, finanziell gut ausgestatteten Ausstellungsbetrieb gewöhnt. Sie kommt vom Kunstmuseum Wolfsburg, dort hatte sie seit 2006 Ausstellungen zum Thema „Identität“ oder Alberto Giacomettis verantwortet. Das Künstlerhaus im Berliner Westend wird zwar vom Senat unterstützt, hat aber immer mit Geldsorgen zu kämpfen. Der Bau aus den 20er Jahren ist sanierungsbedürftig. Einer der ersten Herausforderungen wird es sein, Gelder zu akquirieren.

Diese Arbeit von Rainer Splitt zitiert die amerikanischen Abstrakten Expresisonisten
Diese Arbeit von Rainer Splitt zitiert die amerikanischen Abstrakten Expresisonisten
© Angela Dwyer

Zumal Wallner große Pläne hat: Kolbes Nachlass soll weiter aufgearbeitet und später auch als Archiv Interessenten zugänglich gemacht werden. Gerne würde sie auf längere Sicht ein bis zwei Stellen zusätzlich schaffen. Noch arbeitet unter ihr ein kleines Team von vier Leuten: Assistent, wissenschaftliche Bibliothekarin, zwei Volontärinnen. Platz für Stipendiaten hat das Museum nicht, Julia Wallner möchte das ehemalige Atelierhaus dennoch als Produktionsstätte wiederbeleben und Arbeiten vor Ort realisieren lassen. Sie selbst hat sich in den modernen Bau mit seiner klaren Architektursprache sofort verliebt, sagt sie: Das viele Licht, der grüne Garten, die Lebensgeschichte Kolbes, die aus den Mauern spricht.

Ein Traum wäre es für sie, einmal mit dem großen deutschen Bildhauer Thomas Schütte zu arbeiten. Sie schätzt die minimalistischen Arbeiten der Berliner Künstlerin Alicija Kwade sowie die filmischen Installationen Rosa Barbas und freut sich auf die für Herbst geplante Ausstellung von Renée Sintenis. Deren Werk ist heute fast vergessen, abgesehen vom Berliner Bären, der auf dem Mittelstreifen der A 115 beim ehemaligen Grenzübergang Dreilinden steht und im kleinen Format als Trophäe der Berlinale überreicht wird. „Sie war eine schillernde Figur der 20er Jahre“, so Julia Wallner.

Bei internationalen Museumsdirektoren genießt das kleine Haus einen guten Ruf. Jetzt müssen nur noch die Berliner und Touristen mehr davon mitbekommen. Julia Wallner will die Besucherzahlen erhöhen. So hat sie bereits das äußere Erscheinungsbild geändert und junge Grafikerinnen gebeten, ein Corporate Design zu entwickeln. Das Museum hat nun ein Logo aus den drei Buchstaben G, K, und M. Es soll mehr Veranstaltungen geben, Lesungen, Künstlergespräche und Bildungsangebote für Kinder. „Es ist ein Geschenk, so einen Ort in die Zukunft denken zu können“, hat Wallner kurz nach Amtsantritt gesagt. Wie der neue Anstrich aussieht, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

Die Ausstellung „Farbe Raum Farbe“ im Georg Kolbe Museum läuft bis 25. August

Anna Pataczek

Zur Startseite