Neuer Wenders-Film: Vom Sommerwinde verweht
Kein Drama, wenig Handlung, dafür viel sinnliche Geistigkeit: In "Die schönen Tage von Aranjuez", dem neuen Film von Wim Wenders, spricht ein Paar über die Liebe. Ihre Flüchtigkeit, Unmöglichkeit, Notwendigkeit.
In der letzten Einstellung fährt die Kamera im Hausflur der alten, rosenumrankten Landvilla immer näher zu auf ein im Halbdunkel fast unscheinbares Bild einer Berglandschaft. Es ist die Kopie einer von Cézanne gemalten Ansicht der südfranzösischen Montagne Sainte-Victoire. Und eines der schönsten frühen Bücher von Peter Handke hieß ja „Die Lehre der Sainte-Victoire“. So huldigt Wim Wenders seinem Freund auch noch, als sich Licht und Schatten und alle Konturen in der finalen Nahaufnahme auflösen.
Zuvor hatte Sophie Semin (Die Frau), im realen Leben Handkes Gattin, in der filmischen Übersetzung des Handkeschen Zweipersonenstücks „Die schönen Tage von Aranjuez“ zu ihrem Partner Reda Kateb (Der Mann) einmal bemerkt, die Silhouette eines Menschen „bedeutet für mich bis heute eine Verheißung“. Am Ende aber hat sich draußen, überm wunderbar blühenden Garten des Landhauses der bis dahin anderthalb Stunden lang strahlende Sommerhimmel verdüstert, Körper und Dinge, die sich zuvor kaum berührt, allenfalls gestreift haben, verfließen ins Schwarze, wie unterm Lid eines beginnenden Schläfers und Träumers. Dazu singt Gus Black „It’s nothing left to say / The World is on fire / And I love you...“
Ganz am Anfang war es noch Lou Reed, der den „Perfect Day“ beschwor und gleichfalls aus der in einer altfranzösischen Villa wie ein Alien wirkenden, grünlich schimmernden Wurlitzerbox kam. Zwischenzeitlich ertönt aus ihr auch Nick Cave – und der ist für ein, zwei Minuten dann sogar leibhaftig da, sitzt an einem Piano neben der Box: ein hübscher Spuk, vom Sommerwind schnell wieder verweht. Wim Wenders liebt von jeher diesen Anhauch des Wunders, den magischen Moment, und er zitiert in seiner Hommage à Handke auch hier sinnbildlich den Dichterfreund, der vor 25 Jahren seinen „Versuch über die Jukebox“ geschrieben hat.
Im Film, im Inneren des Hauses, ersinnt nun ein von Wenders gegenüber der Theatervorlage hinzuerfundener Schriftsteller (Jens Harzer spielt ihn mit feinem Ernst) auf einer 50 Jahre alten Reiseschreibmaschine Marke „Olympia“, was vor seinen Augen hinter den offenen Fenstern draußen im Sommergarten geschieht. Kein Drama. Nur ein meist von den Erlebnissen der Frau und den Zwischenfragen des Mannes bestimmtes Gespräch über die Liebe. Über ihre Flüchtigkeit. Unmöglichkeit. Notwendigkeit. Über den Körper, der den Blitzeinschlag braucht, und die Seele, die immer mehr oder weniger will als den jeweils Anderen.
Das alles gemahnt an die Rede-Essays der Filme etwa von Éric Rohmer, also kaum Handlung, aber viel sinnliche Geistigkeit, voll unterhaltsamer, von Melancholie und subtilem Witz beflügelter Langeweile. Plus Handke, also ein kalkuliert hoher Ton, die Geliebte mindestens eine „Königin“, gegen die Gegenwart.
Wenders’ Idylle, die im Titel mit dem spanischen Sommerlustschloss und Schillers Diktum „Die schönen Tage von Aranjuez sind nun zu Ende“ spielt, ist gefährdet. Ins Gesternmorgen bricht jäh das Heute ein mit schrillem Verkehrslärm. Auch das ein Spuk.
Ab dem 26. Januar in den Berliner Kinos Cinemaxx Potsdamer Platz, Kant, und Kulturbrauerei, OmU in den Hackeschen Höfen.
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