360-Grad-Panorama in Berlin: Virtueller Blick auf den Pergamon-Altar
Museumsarbeit der Zukunft: Die antike Stadt Pergamon erwacht im neuen Berliner Panorama von Yadegar Asisi.
Den Römern galt der Pergamonaltar als das achte Weltwunder. Die Berliner und ihre Gäste können ihn nun endlich wieder besichtigen, zumindest virtuell. Gut verpackt und bewacht wartet das Original, ein Berliner Heiligtum, im Museum, bis er hoffentlich 2024, nach erfolgreicher Sanierung des Gebäudes, wieder neu betrachtet werden kann.
Doch man wird ihn dann mit anderen Augen sehen. Im temporären Ausstellungsgebäude gegenüber dem Bode-Museum zeigt sich die antike Stadt als 360-Grad-Panorama von Yadegar Asisi. Die jetzige Ausstellung, die auch 80 Spitzenstücke der Antikensammlung aus Pergamon beinhaltet, ist kein einfaches Remake der Schau von 2011, sondern eine Neuinszenierung, in die viele aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse eingeflossen sind, die ein neues Erleben von Pergamon und der antiken Welt um das Jahr 129 nach Christus ermöglichen.
Sogar das Licht auf den Statuen ändert sich
Begrüßt werden die Besucher von einer Gruppe von Frauenstatuen aus Marmor. Sie waren verdienten Bürgerinnen Pergamons gewidmet und standen auf der Terrasse des Pergamonaltars. Hier beginnt die erste Phase der Entschleunigung. Man sollte sich Zeit nehmen, denn das Licht ändert sich, simuliert den Verlauf der Sonne, Gesichter und Faltenwürfe treten plastisch hervor. „Die antiken Bildhauer wussten, dass ihre Figuren Tag und Nacht draußen stehen und sie haben ihre Statuen so gearbeitet, dass sie die Lichtverhältnisse für sich ausnutzen, um die Wirkung zu erhöhen. Im Museum tun wir das leider nicht“, sagt Yadegar Asisi. Zudem taucht er den Marmorkörper einer Figur in gleißendes Licht, wie unter mediterraner Mittagssonne. Dann färbt sich das steinerne Gewand blau, später rot mit violetter Borte und gelbem Ornament. Es ist der Versuch, die Farbigkeit der originalen Skulpturen im Museum mit einfachen Mitteln zu visualisieren. Die Ausstellung wird zum Experimentierfeld der Museumspräsentation. In neu geschaffenen Zeichnungen im Stile des 19. Jahrhunderts hat Asisi die Frauengruppe nach wissenschaftlichen Kriterien auf die Terrasse des Altars gebracht. Er gibt den Figuren ihren Kontext.
Pergamon erlebte zur Zeit der Attaliden in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts vor Christus seinen kulturellen Höhepunkt. Das 3D-Modell von Dominik Lengyel, nach Forschungsergebnissen des Deutschen Archäologischen Instituts entwickelt, verdeutlicht die dichte Bebauung, die sich nach neuesten Erkenntnissen den ganzen Burgberg hochgezogen haben soll.
Von drei Stockwerken blickt man auf das antike Pergamon
Mit dieser Information betritt man den Kuppelsaal des neuen Pergamonpanoramas, das mit 30 Metern noch höher ist als sein Vorgänger. Der Besucherturm mit drei Stockwerken in sechs, zwölf und fünfzehn Meter Höhe ermöglicht einen fantastischen Blick auf das antike Pergamon und seine Umgebung.
Dramatische Szenen spielen sich dort ab. Ein Ochse wird auf der Terrasse des Altars mit mehreren Lanzen getötet. Zwei Männer sind dabei, Schafe zu zerteilen, die Opfernden waten im Blut auf der berühmten Marmorterrasse, die doch sonst blütenweiß dargestellt war. Die Tiere wurden hier zerlegt, ihre Organe die Treppe zum Altar hochgetragen und dort als Opfergabe verbrannt. Folglich sind die Stufen blutverschmiert. Das ist das Bemühen des Künstlers, eine realistische Darstellung des Lebens in einer antiken Metropole mit 40 000 Einwohnern zu bieten. Natürlich sind die Szenen verdichtet, nicht alles fand gleichzeitig statt, aber so könnte es gewesen sein.
Prächtige Installation des Telephos-Frieses
Asisi hat einen Sklavenmarkt hinzugefügt sowie eine Pergamentwerkstatt, er selber taucht als Figur außerhalb eines Stadttores auf. Ein Mann erleichtert sich im Gebüsch in der Nähe der Steinmetzwerkstatt. Das Panorama ist wie ein Wimmelbild, in dem unendlich viele Geschichten stecken.
Der Rundgang durch die Ausstellung setzt sich mit Informationen zum Bau des Altars und einer prächtigen Installation des Telephos-Frieses in einer simulierten Halle mit wechselndem Tageslicht fort. Die Götterfiguren werden edel vor einer goldgrundierten halbrunden Nische präsentiert.
Die virtuelle Drohne steigt auf und zeigt die Stadt aus der Vogelperspektive
Ein zweiter Höhepunkt der Schau ist die digitale Projektion des Pergamonaltars im Kontext der damaligen Landschaft, die auf dreizehn mal sieben Metern die ganze Rückwand des Gebäudes einnimmt. Ausgehend von der Frontseite des Museums fährt die Kamera am Nordfries vorbei, die Museumswände verschwinden und plötzlich steht der Altar auf dem Burgberg. Die virtuelle Drohne steigt auf, zeigt Altar und Stadt aus der Vogelperspektive, senkt sich dann wieder und endet in der rekonstruierten Fundsituation von 1880 in Bergama. Dies wird dann vom türkischen Bergama im Zeitraffer überblendet und bewegt sich schließlich auf dem gleichen Weg in den Museumssaal zurück.
Wieder eine Entschleunigung, aber die 20 Minuten dieser Zeitreise vergehen wie im Flug. Gelungen ist auch die Lightbox aus dem Palastbereich, in der Asisi auf der Basis des berühmten Papageienmosaiks das Innere eines Palastes rekonstruiert. Emotionale Visualisierung auf wissenschaftlicher Basis – das könnte ein Weg sein, um künftig neue Besucher ins Museum zu locken. Wenn es fertig ist.
„Pergamonmuseum. Das Panorama“, Am Kupfergraben 2, Montag bis Sonntag 10-18 Uhr, Donnerstag 10-20 Uhr. Kombiticket Pergamonmuseum und Panorama 19 €/ 9,50€. Freier Eintritt bis zum 18. Lebensjahr.
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