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Virtuelles Modell des Stadtbergs von Pergamon. Blick von Südwest über die Altarterrasse mit der Treppenfront des Großen Altars – darüber das Athena-Heiligtum.
© Abbildung: Dominik Lengyel, BTU Cottbus

Antike Residenzstadt in 3D: Das andere Pergamon-Panorama

In Cottbus und Leipzig ist eine 3-D-Rekonstruktion des antiken Pergamon entstanden. Sie bietet die Grundlage zum Verständnis von Yadegar Asisis großem Pergamon-Panorama.

Mächtig thronen die Prachtbauten Pergamons auf dem Stadtberg der antiken Metropole. Oben das Theater mit den Theaterterrassen, die sich wie ein Riegel unter die Bauten schieben. Rechts vom Theater der Große Altar von Pergamon und dahinter das Heiligtum der Athena. Zu den wichtigsten Gebäuden, die man von Pergamon kennt und auf die sich die Forschung lange konzentriert hat, gehören auch der einzige römische Bau, das Trajaneum, die Untere Agora, der Markt- und Festplatz der Metropole und das Gymnasion im griechischen Zustand.

Was die Universität Leipzig jetzt in einer Ausstellung zeigt, geht jedoch weit darüber hinaus. Die kompakte Leistungsschau des Antikenmuseums der Universität Leipzig, des Deutschen Archäologischen Instituts und der Professur für Darstellungslehre an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg nimmt die ganze Stadt in den Blick.

Neu in der Darstellung sind auch die Wohnviertel am Burgberg

Die Ausstellung „Pergamon wiederbelebt! Die antike Residenzstadt in 3-D“ inszeniert mit einem Gewirr von Gassen und Straßen, von großen und kleinen Häusern, die sich den ganzen Burgberg hoch erstrecken, ein völlig neues Bild von Pergamon. Die Wohn- und Handwerksviertel gehen bis an den unteren Rand der repräsentativen Bebauung, die plötzlich in das Stadtbild integriert ist.

Den Mittelpunkt der Ausstellung bildet ein riesiger Bildschirm, der den Besucher auf einen virtuellen Rundgang durch die hypothetische Rekonstruktion des antiken Pergamon, wie es sich in hellenistischer Zeit (3. bis 1. Jahrhundert vor Christus) dargestellt hat, an die Hand nimmt. Einzig das Trajaneum aus der späteren römischen Zeit passt nicht ganz, dient aber als Orientierungspunkt in der Stadt, denn es ist wissenschaftlich nicht belegt, was vor dem Trajaneum in griechischer Zeit hier gestanden hat.

Leitfrage: Was hat der antike Besucher Pergamons gesehen?

Dieses virtuelle Stadtmodell wurde an der BTU Cottbus unter Dominik Lengyel am Lehrstuhl Darstellungslehre erstellt. Es wirkt in seinen Graustufen nüchtern und sachlich, aber es zeigt die Strukturen und die Räume dieser Stadt. Wer sich auf einem Stuhl vor dem Bildschirm niederlässt, begibt sich auf eine Zeitreise und wird auf einen faszinierenden Streifzug mitgenommen: Der virtuelle Rundgang beginnt am Stadtberg an der Unteren Agora, führt dann an Wohnhäusern und dem Haus des Konsuls Attalos vorbei, zeigt die Wohnbebauung rund um das Gymnasion, um dann an der Oberen Agora und den Prachtbauten des Burgbergs zu enden.

Die Frage für die Macher war: Was hat der antike Besucher Pergamons gesehen? Dieses Bild der antiken Stadt wiedererstehen zu lassen, ist das Ziel dieser virtuellen Rekonstruktion.

„Oberhalb des Gymnasions ist jetzt eine Hangbebaung nachgewiesen. Das Straßenraster wurde über Modellrechnungen der Hanglage angepasst. Die Haushöhe ist hypothetisch, aber gewisse Haustypen sind belegt“, sagt Hans-Peter Müller vom Antikenmuseum in Leipzig, der die Ausstellung zusammen mit Felix Pirson vom DAI Istanbul, Dominik Lengyel von der BTU Cottbus und Studierenden des Leipziger Studiengangs „Archäologie der Alten Welt“ konzipiert hat. Die 3-D-Rekonstruktion kann jederzeit auf Basis neuerer Forschungsergebnisse angepasst werden, sozusagen ein lebendes Modell. Insofern wird dieses 3-D-Pergamon auch die aktuelle Ausstellung „überleben“.

Faszinierend an Lengyels Rekonstruktionsversuch ist die Perspektive. Er führt die Betrachter direkt in die Gebäude hinein. Lengyel nennt das „virtuelle Fotografie“ – als hätte ein alter Grieche wie ein Tourist im Heiligtum der Athena seine Kamera gezückt und die beeindruckenden Statuen der sterbenden Gallier vor dem Athena-Tempel fotografiert. So gewinnen auch der Säulengang im Athena-Heiligtum und das Atrium des Königspalastes eine ganz andere Plastizität.

Ein Ausschnitt des Pergamon-Panoramas von Yadegar Asisi.
Belebte Szenerie. Ab dem Spätsommer ist eine neue Version des Pergamon-Panoramas von Yadegar Asisi in Berlin zu sehen (im Bild ein Ausschnitt).
© asisi

An zwei Monitoren stellt Lengyel der Rekonstruktion heutige Fotos der spärlichen Überreste gegenüber. Deutsche Archäologen haben seit mehr als 140 Jahren ihre Befunde im türkischen Bergama dokumentiert. Die Ausstellung zeigt verschiedenste Rekonstruktionsversuche: von Carl Humanns allererster Zeichnungen des Großen Altars von Pergamon – hier sieht man, wie sich die Treppe mit Fortgang der Grabung verändert – bis hin zu Yadegar Asisis Pergamon-Panorama von 2011. Dessen neue Version wird im Spätsommer dieses Jahres in Berlin gegenüber dem Bodemuseum gezeigt. Ein genaues Eröffnungsdatum stand Ende Juni noch nicht fest.

Interessant ist, dass die Forschung im Laufe dieser langen Zeit ein mehr oder weniger konstantes Bild des Burgberges und der Großbauten erarbeitet hat. Die Wohnbebauung des Stadtberges haben die Forscher bis vor Kurzem aber ausgeklammert. Man konzentrierte sich auf die Repräsentationsbauten. Quellen zu Pergamon sind vor allem Reiseberichte, aber es gibt auch eine Münze aus der Berliner Antikensammlung, die zwei Stiere vor dem Pergamonaltar zeigt, der von einem Baldachin gekrönt ist.

Die Arbeiten von BTU-Professor Lengyel und Künstler Asisi ergänzen sich

„Die großen Stierfiguren sind archäologisch nicht nachgewiesen, auf dem Stadtmodell von 1966 von Hans Schleif sind sie jedoch integriert, nicht aber der Baldachin“, erklärt Müller. Yadegar Asisi war da vorsichtiger, er hat die Stiere weggelassen, aber den Baldachin über dem Altar als temporäre Konstruktion gezeigt. Asisi zeigt als Künstler auf wissenschaftlicher Basis eine lebendige Stadt, eingebettet in die Natur, während Lengyel eher die Prinzipien der antiken Metropole darstellt. Insofern ergänzen sich beide Arbeiten. Wer Lengyels 3-D-Rekonstruktion gesehen hat, kann Asisis Panorama, das ja eine Momentaufnahme zeigt, besser verstehen.

Dem Antikenmuseum der Universität Leipzig ist eine kleine, aber eindrucksvolle Ausstellung gelungen, eine Visitenkarte dessen, was Archäologie und Bauforschung heute leisten können. Die 2016 geplante Schließung des Instituts und des Museums in der Alten Nikolaischule ist abgewendet, die Professur aber gestrichen und durch eine Juniorprofessur ohne Promotionsrecht ersetzt.

Die Studierenden der Universität haben mit dieser Ausstellung bewiesen, dass es im Studium nicht nur um Quellen und Forschung geht, sondern auch um eine publikumswirksame Vermittlung der Erkenntnisse archäologischer Forschung. Dabei haben sie auch gelernt, wie man eine Ausstellung konzipiert, Vitrinen baut und Texte schreibt, die ein Laie versteht.

Die 3-D-Rekonstruktion ist im Antikenmuseum der Universität Leipzig noch bis zu 15. Juli zu sehen (weitere Informationen: http://antik.gko.uni-leipzig.de). Eine von BTU-Professor Lengyel erstellte Bilderstrecke zu seinem Projekt finden Sie hier.

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