Helke Sander zum 80.: Verteidigung des subjektiven Faktors
Sie ist eine Feministin der ersten Stunde, hat die Kinderladenbewegung mitgegründet und einen Goldenen Bären gewonnen: Der Filmemacherin Helke Sander zum 80. Geburtstag.
Redupers, schöne Abkürzung. Hört man den Namen Helke Sander, fällt sie einem gleich ein, „Die allseitig reduzierte Persönlichkeit“, ihr Spielfilmdebüt von 1977. Bald darauf folgte „Der subjektive Faktor“, autobiografisch gefärbt, nicht mehr wegzudenken aus der Geschichte der Studentenbewegung in Deutschland. Man vergisst das ja leicht, dass die Herren Revolutionäre damals einen kleinen Nebenwiderspruch vergaßen, das mit den Männern und Frauen. Auch bei Revolten müssen Kinder versorgt werden, auch in der Kommune muss jemand den Abwasch machen: Sanders’ Filme richten ihr Augenmerk auf das Politische im Privaten, unmissverständlich, kämpferisch, ironisch.
Im wirklichen Leben hatte Sander den Nebenwiderspruch schon zehn Jahre zuvor auf die Tagesordnung gesetzt. Nach ihrer Rede beim SDS-Kongress im September 1968 – „Genossen, wenn ihr zu dieser Diskussion nicht bereit seid, dann müssen wir feststellen, dass der SDS nichts weiter ist als ein aufgeblasener konterrevolutionärer Hefeteig“ – flog die berühmte Tomate: Initialzündung für den Feminismus in Deutschland.
Geboren wurde Sander 1937 in Berlin. Nach Anfängen mit Studenten- und Arbeiterheater in Finnland – wohin es sie der Ehe wegen verschlug – , mit Happenings und Fernseharbeiten kehrt sie 1965 zurück, gehört zum legendären, komplett relegierten ersten Jahrgang der Deutschen Film- und Fernsehakademie und wird zu einer Protagonistin der Frauenbewegung. Sie dreht TV-Produktionen wie „Kinder sind keine Rinder“ und „Macht die Pille frei?“, leistet Pionierarbeit als (Mit-)Begründerin der Kinderläden, von Frauengruppen und Zeitschriften wie „Frauen und Film“, der einzigen ihrer Art in Europa. Das Magazin existiert bis heute, unter anderer Herausgeberschaft.
1992 entfachte Sander mit "BeFreier und Befreite" Diskussionen: Es ging um Massenvergewaltigungen 1945
Frauen, die um ihre Rechte kämpfen, störrisch oder still, Frauen, die Tabus brechen, sind auch später ihre Leinwandheldinnen. In ihrem Schwarz-Weiß-Kurzfilm „No. 1 – Aus Berichten der Wach- und Patrouillendienste“, für den sie 1984 einen Goldenen Bären gewinnt, genauso wie in der zweiteiligen Dokumentation „BeFreier und Befreite“ (1992). Erstmals wird darin über die Massenvergewaltigungen am Ende des Zweiten Weltkriegs gesprochen; Opfer wie Täter kommen zu Wort – der Film löste heftige Debatten aus.
Helke Sander lehrte am Bremer Filminstitut und an der Hamburger Kunsthochschule, sie schreibt auch Kurzgeschichten. Ihr Band „Der letzte Geschlechtsverkehr und andere Geschichten über das Altern“ erschien 2011, auch das gnadenlos ehrliche, aber heitere Erzählungen. An diesem Dienstag feiert Helke Sander ihren 80. Geburtstag – mit besten Wünschen von uns jüngeren Frauen, die ihr und ihrer Generation viel zu verdanken haben.
Christiane Peitz
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