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Der Publikumsmagnet im Mauritshuis in Den Haag: Vermeers "Mädchen mit dem Perlenohrring".
© dpa

Gemäldegalerie Mauritshuis Den Haag wiedereröffnet: Vermeerwert

Hollands Schmuckkästchen: Nach zwei Jahren Umbauphase kann das Mauritshuis Den Haag seine sensationelle Sammlung holländischer Meisterwerke in neuem Glanz präsentieren.

Eine bessere Kampagne hätte der internationale Buchmarkt dem kleinen holländischen Museum nicht bescheren können: Zunächst erschein die Novelle von Tracy Chavelier über Vermeers Mädchen mit dem Perlenohrring, dann wurde die Geschichte verfilmt, mit Scarlett Johansson in der Hauptrolle. Dann kletterte „Der Distelfink“, ein Tausend-Seiten-Wälzer der US-Schriftstellerin Donna Tartt, auf die Bestseller-Listen, ausgezeichnet mit dem Pulitzer-Preis und inspiriert von einem kleinen Bild des Malers Carel Fabritius. Und nun, ganz aktuell ist, zumindest schon mal im Englischen, noch ein weiterer Roman auf den Markt gekommen, der mit einem alten holländischen Meister in Verbindung steht, nämlich „Die Anatomiestunde“, geschrieben von der amerikanischen Journalistin Nina Siegal, benannt nach dem berühmten Gemälde Rembrandts.

Alle drei genannten Kunstwerke hängen im Mauritshuis, der königlichen Gemäldegalerie in Den Haag. Ein Zufall? Eher nicht. Der erste Blick in das zwei Jahre lang renovierte und modernisierte Museum zeigt: Hier hängen wirklich besonderes schöne Schätze, in einer intimen Umgebung, in der man sie stundenlang betrachten, ja sich regelrecht in sie vergucken kann. Es sind kleine Formate, viel Stillleben, Porträt- und Genremalerei, die wohl beliebtesten Gattungen der europäischen Kunstgeschichte.

"Gesichts-Lifting" ist im Rahmen geblieben

Am Freitag wird König Willem-Alexander das Haus wiedereröffnen. Der Umbau hat 30 Millionen Euro gekostet, das Mauritshuis, getragen durch eine Stiftung, hat einen Großteil davon selbst übernommen. Hinzu kamen Sponsorengelder, Zuschüsse aus öffentlicher Hand und die Einnahmen einer Welttournee der Meisterwerke durch die USA, Japan und Italien, die 2,2 Millionen Besucher anlockte. Nicht ohne Stolz verkündete Emilie Gordenker, Direktorin des Hauses, dass das „Gesichts-Lifting“, wie sie die Umbauten nennt, sowohl zeitlich als auch finanziell im Rahmen geblieben sei. Das ist in der Tat ungewöhnlich.

Ebenso wie das Verhältnis zwischen ausgestellten Werken und denen im Depot. 800 Gemälde stark ist die Sammlung, etwa 250 hängen auch nach der Wiedereröffnung in den Räumen. Üblicherweise verschwindet ein Großteil im Archiv. Die Bestände des Mauritshuis sind exquisit, Direktorin Gordenker spricht zu Recht von einem „Schmuckkästchen“. Zusammen mit den Museumstankern Rijksmuseum in Amsterdam, der National Gallery in London und der Berliner Gemäldegalerie beherbergt es eine der wichtigsten Sammlungen niederländischer Malerei weltweit.

1644 wurde das Mauritshuis für Fürst Johann Moritz von Naussau-Siegen erbaut, für den Gouverneur der niederländischen Kolonie Brasilien und späteren Statthalter Brandenburgs und Berater des Großen Kurfürsten. Architekt Jacob van Campen gelang hier ein perfektes Beispiel für niederländischen Klassizismus. Die Achsen sind streng symmetrisch, unter den Fenstern hängen prallschwere Obst- und Blumengirlanden. 1822 wurde aus der Wohnresidenz eine königliche Gemäldegalerie.

Mit dem Mauritshuis schuf der Architekt Jacob van Campen 1644 ein Meisterwerk des niederländischen Klassizismus.
Mit dem Mauritshuis schuf der Architekt Jacob van Campen 1644 ein Meisterwerk des niederländischen Klassizismus.
© dpa

Publikumsmagnet Vermeer

Zweifellos ist Jan Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrgehänge“ von 1665 der größte Publikumsmagnet, ein Beispiel für die malerische Kraft des Goldenen Zeitalters, der Barockmalerei, die mit nur wenigen kunstvoll gesetzten Strichen Illusionen von Spiegelung und Stofflichkeit hervorbrachten. Die familiäre Atmosphäre der geschmackvollen Privatresidenz mit Salons und Kabinetten lässt aber auch Luft für all die heute nicht mehr so geläufigen Maler neben Vermeer, Rembrandt, Jan Steen, Frans Hals, Jan Brueghel dem Älteren und Peter Paul Rubens. So bleibt der Blick auch bei Kleinstformaten hängen, wie bei der Miniatur eines Knaben von Caspar Netscher (1670), der Seifenblasen in die Luft schickt. Sie scheinen auf dem Firnis zu schweben.

Fabritius’ Distelfink wurde ein prominenter Platz zugewiesen. Nach dem Erfolg des Romans erwartet das Haus mehr Besucher – und will sie auch. Um 25 Prozent sollen die Gästezahlen steigen. Bisher kamen 200 000 pro Jahr. Nicht nur die Alterserscheinungen des Hauses sind beseitigt worden, mit neuen feinen Wandbespannungen aus Seide nach Vorlagen aus dem 18. Jahrhundert und einem LED-System, das die immer wieder kritisierte alte Beleuchtung ersetzt. Der gesamte Zugangsbereich ist neu hinzugekommen, wie im Louvre wird der Besucher über ein helles, großzügiges unterirdisches Foyer hineingeleitet. Erschlossen wird so auch ein Nebengebäude aus dem Art déco, gemietet von dem alteingesessenen Den Haager Gentlemen’s Club De Witte. Ein Glücksfall für das Mauritshuis, denn für einen Neubau wäre in der Innenstadt, gleich neben dem niederländischen Parlament kein Platz gewesen. So konnte das Museum nun seine Fläche auf 6400 Quadratmeter verdoppeln, hat Platz für eine Bibliothek, pädagogisches Programm und Sonderschauen. In einer ersten Ausstellung wird die architektonische Geschichte des Mauritshuis beleuchtet. Im kommenden Jahr reisen Meisterwerke der New Yorker Frick-Sammlung an.

Die spektakuläre Wiedereröffnung war natürlich auch beim Den Haager „Festival Classique“ ein Thema: Auf einer Bühne am Hofvijver-Teich erwachten sowohl Rembrandts Leiche als auch Vermeers Mädchen zum Leben.

Eröffnung am 27. Juni, weitere Informationen unter www.mauritshuis.nl

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