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Ben Stiller und Naomi Watts  in "Gefühlt Mitte Zwanzig"
© Universum Film/dpa

"Gefühlt Mitte Zwanzig" mit Ben Stiller: Verjüngungskur mit den Twentysomethings

Ist man so jung, wie man sich fühlt? In „Gefühlt Mitte Zwanzig“ von Noah Baumbach versuchen das Naomi Watts und Ben Stiller herauszufinden - mit schmalem Erkenntnisinteresse.

Schon lustig: Die Alten, Mitte vierzig, rennen den Jungen hinterher, und die Jungen, Mitte zwanzig, sind voll retro. Das kinderlose Ehepaar, irgendwie lieb routiniert zusammengeblieben, kann mit den Papa-Mama-Legefabriken im Freundeskreis nichts anfangen und umgibt sich stattdessen, um sich möglichst jung zu fühlen, mit dem stets neuesten social digital chic, den das 21. Jahrhundert unablässig auswirft. Netflix gucken, jederzeit Wiki checken, Kindle auf dem Kopfkissen: bloß, bloß nicht von gestern sein!

Wo aber die Brooklyn-Hipster sind, da ist vorne, und das ist vorgestern. Also: Vinyl statt Stream, Klapperschreibmaschine statt Trackpad, und im Vogelkäfig des Lofts unter den selbst gebauten Altholzhochbetten plappert kein hundsnormaler Papagei, sondern gackert ein Huhn. Und wenn die so was von analogen Twentysomethings doch mal Youtube gucken, dann die coolen Werbespots aus den Siebzigern. Nur dass die für sie nichts weiter als popkulturelles Zitat sind – und für die Alten gelebte, eingesickerte, irgendwann zurückgelassene Kinderzeitzeugenerfahrung.

Von dieser verkehrten Welt, in der die Älteren keine nestbauenden Reproduktionsmaschinen sein wollen und die Jungen keine Sklaven der Kommunikationselektronikindustrie, erzählt Noah Baumbachs neueste filmische New Yorker Gegenwartserkundung „Gefühlt Mitte Zwanzig“ (Originaltitel: While We're Young). Der geborene Brooklyner, der bei der Wahl seiner Drehorte kaum je über den erweiterten Kiez hinausgeht, tut das, wie man es von ihm gewohnt ist: witzig und schmerzhaft, mit sicherem Sinn fürs soziale Biotop und viel Lust am liebevoll ausgepinselten Detail. Nur sitzt der mittlerweile 45-Jährige diesmal, vielleicht eine Alterserscheinung, ein wenig bräsig auf seinem Thema. Leben seine Figuren eigentlich – oder sind sie von Anfang bis Ende bloß passgenau zielführend ausgedacht?

Als da wären: der Filmwissenschaftsdozent Josh (Ben Stiller) und seine sanfte Frau Cornelia (Naomi Watts), die – zumindest laut Drehbuch, man sieht sie in dieser Hinsicht nie in Aktion – die Dokumentarfilme ihres berühmten Vaters produziert. Eines Tages platzen Jamie (Adam Driver) und seine Freundin Darby (Amanda Seyfried) ins Seminar: Jamie will selber mal Dokus drehen und schwärmt von Joshs einst erfolgreichem Erstlingsfilm, und Darby ist so süß wie die Öko-Eiscreme, die sie selber herstellt. Und plötzlich ist Josh, der seit Jahren an seinem ambitionierten, überlangen zweiten Werk laboriert, Feuer und Flamme für das junge Paar und zieht seine durchaus aufgeschlossene Frau in die irgendwie inspirierend verjüngende neue Freundschaft hinein.

Niemand entrinnt dem eigenen Lebensalter

Man ist so jung, wie man sich fühlt? Genau das wollen Josh und Cornelia sich zumindest zeitweise beweisen. Jamie und Darby dagegen nutzen die verführerischen Accessoires ihrer Jugendlichkeit eher als Attrappen, denen die jugendsüchtigen Oldies nur zu bereitwillig verfallen. Und schon gibt es zwar kein allzu glatt-plattes Generationsüberkreuzlieben, wohl aber ein anderweitig subtiles Umkehrspiel. An dessen Ende erweisen sich die Alten als vollinhaltlich bestürzend unfertig, während die Jungen im Karrierezirkus längst so munter wie unauffällig unterwegs sind.

Das ist, zwar als filmische Versuchsanordnung nicht gerade neu, hübsch anzusehen, und auch im Dialogtempo müht sich Baumbach eifrig, dem Image des Woody Allen für die nächste Generation gerecht zu werden. Vor allem gegenüber seinem letzten Film „Frances Ha“ aber fällt „Gefühlt Mitte Zwanzig“ deutlich ab. Konnte der Zuschauer dort die Fallhöhe der Protagonisten zwischen sehr amerikanischer Großstädter- Gutgelauntheit und tatsächlicher Depressionsdisposition stets frei vermessen, wird er hier – ebenso wie die Akteure – streng an der Leine eines letztlich schmalen Erkenntnisinteresses geführt. Die Botschaft dieser zutiefst moralischen Komödie: Niemand entrinnt dem eigenen Lebensalter. Beweglich bleibt nur, wer es annehmen kann. Alles andere ist ein Missverständnis, im Zweifel ein böses.

Cinema Walther-Schreiber-Platz, Kant, Cinemaxx, Colosseum, Kulturbrauerei, Passage, Zoo Palast; OV: Cinestar SonyCenter; OmU: Hackesche Höfe, Rollberg

Jan Schulz-Ojala

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