Kultur: Die Undurchdringliche
Die Prinzessin, die Liebe und die Medienhatz: „Diana“, Oliver Hirschbiegels Biopic über die Königin der Herzen.
Sie ist die Gejagte, was sonst. Die Kamera sitzt Diana im Nacken, folgt ihr auf Schritt und Tritt, gehört zur Meute der Paparazzi, nur dass sie überall dabei sein darf. Dianas Telefon klingelt, sie geht nicht ran, zögert, lässt das Handy liegen, verlässt den Raum, verlässt das Pariser Hotel und steigt in den Wagen, mit dem sie in wenigen Minuten verunglücken wird. So fängt es an. Los, mach schon, geh ran, scheint die Kamera ihr zu bedeuten und nimmt das Telefon ins Visier, bedrängt die Frau, die damals berühmteste Frau der Welt, wie es im Film einmal heißt. Diana, erfährt der Zuschauer in den folgenden 110 Minuten, kannte ohnehin kaum etwas anderes als solche mediale Bedrängnis.
Naomi Watts ist Lady Di, mit perfekter Maske und verschlossener Miene. Regisseur Oliver Hirschbiegel hat so viel Respekt vor dem Mythos, dass er kaum hinter die Maske zu blicken wagt, während er die letzten zwei Jahre im Leben Dianas in Szene setzt. Das Drehbuch von Stephen Jeffreys konzentriert sich dabei auf ihre Affäre mit dem pakistanisch-britischen Herzchirurgen Hasnat Khan (Naveen Andrews). Es war, sagt der Film, die ganz große Liebe.
Nach erfolgreichen britischen Biopics wie „Die Eiserne Lady“ (2011) mit Meryl Streep als Premierministerin Margaret Thatcher und vor allem Stephen Frears’ „The Queen“ (2006) mit Helen Mirren als Elizabeth II. waren die Erwartungen hoch, als „Diana“ im September in einer Gala am Londoner Leicester Square vorgestellt wurde und Naomi Watts sich auf dem roten Premierenteppich im weißen Abendkleid als würdige Vertreterin der Prinzessin der Herzen zeigte. „The Queen“ hatte die Volkstrauer nach Lady Di’s Unfalltod mit Dodi Fayed 1997 zum Ausgangspunkt genommen, auch Hirschbiegels Film beginnt mit dem Unfall – und blendet zurück. Als Regisseur des Hitler-Films „Der Untergang“ sei der Deutsche eine interessante Wahl für den Job gewesen, schrieb Anthony Quinn ironisch im „Independent“. Ihm sei nicht nur die Dramatik von Bunkermentalität und wahnhaftem Narzissmus vertraut, sondern auch, wie eine einzelne Person eine ganze Nation zu mehr oder weniger hirnloser Bewunderung verführen könne.
„Diana“ aber stellt solche Fragen gar nicht erst; der schlichte Plot – der bloß hinlänglich Bekanntes kolportiert – und die simple Moral genügen. Nicht nur die Prinzessin wurde zu Tode gejagt, sondern auch die Liebe zu Hasnat Khan. Es braucht keine Verschwörungstheorien, die Medien sind schuld, die sensationsgeile Öffentlichkeit. Der Film buchstabiert das vor wie ein Naturgesetz.
Diana, wie sie ihren Lover in den Palast schmuggelt und ihm mitten in der Nacht vom königlichen Stab ein Burger herbeischaffen lässt. Diana, wie sie sich im Kofferraum zu Hasnats Wohnung schmuggeln lässt. Zwei Königskinder, die sich nur heimlich treffen dürfen. Ihre öffentlichen Auftritte trainiert Diana vor dem Spiegel, samt gezielt vergossener Träne und präzise intoniertem Stocken der Stimme. Auch die Charity-Auftritte für LandminenOpfer sind nicht frei von Kalkül. Selbst die kleinen Freiheiten, die Diana sich nimmt und die keiner ihr gönnt, absolviert die wunderbare Naomi Watts mit stoischer Miene, als ginge es die ganze Zeit nur darum, dass die Frisur nicht verrutscht.
Ein beherzter filmischer Zugriff hätte aus der Gemengelage von Aura, Mythen und Klatsch eine lebendige Frau heraufbeschwören können, ähnlich wie es Stephen Frears mit „The Queen“ gelungen ist. Allenfalls die Einsamkeit im goldenen Käfig des Palasts, die Unsouveränität des Souveräns, das Eingezwängtsein in Protokoll und Etikette lassen sich erahnen – einmal immerhin ist kurz zu sehen, wie Diana ihre Söhne am Flughafen verabschiedet, bevor William und Harry im Privathelikopter wieder einmal Richtung Daddy verschwinden. Die Kamera giert nach Nähe und zeigt sich doch desinteressiert. So entrückt „Diana“ seine Protagonistin in noch fernere Sphären, beschränkt sich auf die Undurchdringlichkeit der Anfangsszenen.
Beim Verlassen des Kinos betrauere man keine Faser der wirklichen Prinzessin von Wales, schrieb der „Daily Telegraph“ nach der Premiere in England. Mark Kermode mokierte sich im „Observer“ darüber, dass die Dialoge im Script nach Kate Snells Buch „Diana: Ihre letzte Liebe“ von 2001 „wie aus einer anderen Sprache übersetzt“ oder gar direkt aus den Seiten des „Hello“-Magazins kopiert seien. „Guardian“-Kritiker Peter Bradshaw nannte den Film gar einen „Autounfall“, bei dem die Prinzessin noch einmal gestorben sei. Mittlerweile kann sich „Diana“ rühmen, in Großbritannien (wie in den USA) eine der meistverrissenen Produktionen des Jahres 2013 zu sein.
Und Hasnat Khan, der sanfte, gebildete Lover? Im Film zitiert er den persischen Mystiker Rumi – „Wenn du den Duft nicht magst, komm’ nicht in den Garten der Liebe“ – und führt Lady Di in seine pakistanische Bilderbuchgroßfamilie ein. Oma nennt Hasnats berühmte Freundin eine junge Löwin, aber ob auch Mama die Frau seiner Wahl akzeptiert? Statt aus solchen Szenen psychologische oder dramatische Funken zu schlagen, begnügt sich Hirschbiegel mit humoresker Asienfolklore.
Kurz vor Schluss beginnt das Jagdopfer sich zu wehren. Die Liebe unmöglich, kein Recht auf Privatleben, geschweige denn Glück? Diana zahlt es der Öffentlichkeit heim, mit deren Waffen. Sie spannt die Paparazzi für ihre eigenen Zwecke ein, gewieft, zynisch, verzweifelt. Das wäre ein aufregender Kinostoff: die gefährliche Liaison zwischen den Stars und den Medien, der Profit und das Risiko, das solche Deals bergen. Stattdessen lässt der Film Dianas Tod als Konsequenz solch kühler Berechnung erscheinen, als Strafe. Christiane Peitz, Matthias Thibaut
In 13 Berliner Kinos. OmU: Bundesplatz, Cinema Paris, Rollberg, OV: Cinestar SonyCenter
Christiane Peitz
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