Kultur und Politik: Väter, Kinder, Apfelbilder
Treffen zweier Welten: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel diskutiert in der Potsdamer Villa Schöningen mit bildenden Künstlern.
Die Verhältnisse werden komplizierter, die Politik hat’s schwer. Da ist jede Hilfe willkommen, sogar der Rat von Künstlern wird gern mal eingeholt. Die Veranstaltungsreihe „Kunst trifft Politik“ in der Potsdamer Villa Schöningen will dieses Coaching institutionalisieren. Nach sieben Jahren Ausstellungsbetrieb verschafft Mathias Döpfner, Villenbesitzer und Chef des Springer-Konzerns, seinem privaten Kunsthaus damit eine weitere Bühne. Die Sphären überschneiden sich im Haus an der Glienicker Brücke.
Ein launiges Quartett macht den Anfang: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel lässt sich von Markus Lüpertz, Erwin Wurm und Stephan Balkenhol etwas erzählen, die Künstler machen umgekehrt ihrem Ärger Luft, animiert von Kunstmanager Walter Smerling. Wäre ein Berufswechsel vorstellbar? Auf keinen Fall! Ein Künstler darf keine Kompromisse machen, ein Politiker dagegen lebt davon. Während Balkenhol sein Atelier gegen nichts eintauschen will, verrät Lüpertz kokett, dass er mit dem Posten des Kultursenators in Berlin in den Neunzigern geliebäugelt hat – aber nur, um alle Subventionen streichen und in die Schulen stecken zu können.
Die Künstler jammern, Gabriel glaubt an die Kultur
Als langjähriger Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie hebt Lüpertz immer wieder zu einer Suada über den Bildungsmissstand an: Studenten könnten nicht mehr zeichnen, Politiker hätten keine Ahnung von Kunst. Gabriel wagt einzuwenden, dass die steigenden Besucherzahlen in den Museen doch ein positives Zeichen wären. Ihn treibt die Sorge um, dass die Stimmung kippt. „Die Welt wird neu vermessen“, warnt er. Das Selbstverständnis unserer liberalen Gesellschaft werde gerade von autoritär Denkenden in Frage gestellt. Der voraussichtliche SPD-Kanzlerkandidat glaubt an die Kultur: „In Köln hat sie Pegida verhindert, in Dresden gibt es sie nur rudimentär.“
Wie bitte? Den Ball fängt niemand auf. Lüpertz jammert, es gäbe keine Auszeichnungen für ältere Künstler. Wurm lamentiert, dass man sich in Österreich Maler und Bildhauer wie Hofschranzen hält, und Balkenhol wünscht sich, Kunstkäufe sollten steuerlich absetzbar sein. Das erhellende Gespräch zwischen Politiker und Künstlern zeigt deutlich, wie weit die Welten auseinanderliegen. „Für mich spielt keine Rolle, was draußen los ist,“ erklärte Wurm. Im besten Fall, wie bei der großen Louise Bourgeois, die das Verhältnis zum Vater künstlerisch reflektierte, kämen allgemeingültige Aussagen zustande. „Es kann auch politisch sein, ein Apfelstillleben zu malen,“ hält sich Balkenhol allen Utilitarismus vom Leib. „Kunst muss keine Funktion haben, keine Aufgabe. Sie ist wie ein Kind, das spielt.“
Lüpertz allerdings lässt sich ein auf das Tänzchen mit der Politik und stellt Maximalforderungen: Weg mit den Jurys; die Vergabe von Aufträgen etwa für Kunst am Bau sollten einzelne kompetente Politiker übernehmen. Nur so käme gute Kunst anstelle von Stadtmöblierung heraus. Gabriel wiegelt ab, Vetternwirtschaft werde auf diese Weise auch nicht verhindert. Doch Lüpertz’ nächster Vorschlag findet allseits Begeisterung, der Abend hat zumindest diese Perspektive erbracht. Nach den verheerenden Politikerplakaten des letzten Wahlkampfs in Berlin, so die Idee des Malers, müssten die Kampagnen zur nächsten Bundestagswahl künstlerisch aufgepeppt werden. Das sei schließlich große Oper mit Gewinnern und Verlierern. Wahlkampf als ästhetische Performance, neu ist der Gedanke nicht. In den Sechzigern beteiligten sich Künstler schon einmal daran. Die Politik hätte sie gerne wieder zurück, zumindest als Zierde.