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Von wegen Theo. Das Amsterdamer van Gogh Museum hat das Bildnis wieder Vincent zugeordnet.
© dapd / van Gogh-Museum

Selbstbildnis oder Bruderporträt?: Van Gogh-Kenner streiten über ein Gemälde des Malers

Alles nur ein Spaß unter Brüdern? Niederländische Kunstexperten sind sich uneins darüber, ob Vincent van Gogh in einem Gemälde sich selbst oder seinen Bruder porträtierte.

Über die Frage, ob Vincent van Gogh der Nachwelt 35 oder 36 gemalte Selbstbildnisse gemalt hat, streitet die Fachwelt seit acht Jahren. Damals schrieb das gralshütende Van Gogh Museum in Amsterdam ein Porträt auf Karton ab, das einen Mann mit blauer Jacke, ockerfarbenem Bart und gelbem Strohhut zeigt. Darauf sei nicht Vincent van Gogh, sondern sein Bruder Theo dargestellt, hatte der für Forschung zuständige Kurator Louis van Tilborgh argumentiert. Nur er habe seinen Bart sorgfältig gepflegt. Außerdem stimme die Ohrform nicht mit der Vincent van Goghs überein.

Dass dafür der sommerliche Hut so gar nicht zum seriösen Kunsthändler Theo van Gogh passte, wurde mit einem Spaß unter Geschwistern erklärt: Auf einem Pendant im gleichen Format – auch nur knapp größer als eine Postkarte – trage dafür der Maler selbst den angepassten Filzhut seines Bruders: ein Rollentausch und endlich ein Bildnis des geliebten Bruders Theo, das im Oeuvre seines Bruders immer schon gefehlt hatte.

Respektabler Gentlemen. Dieses Bild zeigt definitiv den Maler selbst.
Respektabler Gentlemen. Dieses Bild zeigt definitiv den Maler selbst.
© Van Gogh Museum, Amsterdam

Die Augenfarbe gab den Ausschlag, dass das Museum nun seine Meinung erneut geändert hat. Van Gogh hatte blaugrüne Augen – wie der Mann mit dem Strohhut, Theo hingegen hellgraue – wie der Mann mit dem Filzhut. Obwohl sich das nicht wegdiskutieren lässt, mag man sich in Amsterdam nicht ganz von der seinerzeit so spektakulären acht Jahre alten These trennen. Das Strohhut-Bild hat nun deshalb in einem fast ein wenig trotzigen Akt den offiziellen Titel „Selbstporträt oder Porträt von Theo van Gogh“ erhalten; das andere gilt weiterhin als Bildnis Vincent van Goghs.

Dem widerspricht Sjraar van Heugten, ehemaliger Sammlungsleiter am Van Gogh Museum, heute freier Kurator und seit Jahrzehnten ebenfalls einer der besten Van-Gogh-Kenner weltweit. In einer Ausstellung über van Gogh, seine Familie, Freunde und Modelle, die im September im Noordbrabants Museum in ’s-Hertogenbosch eröffnet, identifiziert er nun den Mann mit dem grauen Hut als Theo van Gogh und begründet das im Katalog neben der Augenfarbe auch mit dem Verhältnis der Brüder: „Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Vincent Theo – im schließlich einzigen Porträt, das er von ihm malte – in eher nonchalanter Sommerkleidung und sich selbst als respektablen Gentlemen darstellen würde.“ Weitere Titeländerungen sind nicht ausgeschlossen.

Stefan Koldehoff

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