Reaktionen auf Donald Trump: USA today
Wie umgehen mit Trump? Die Amerikaner lesen massenhaft Orwell, Christo sagt ein Kunstprojekt ab und die American Academy Berlin begrüßt ihre neuen Fellows.
Christo sagt sein Projekt in Colorado ab. Der gebürtige Bulgare, US-Bürger seit 1973, in New York lebend, erklärt: „Ich komme aus einem kommunistischen Land. Ich arbeite mit meinem eigenen Geld, ich mache meine eigenen Pläne, weil ich absolut unabhängig sein will.“ Das Land aber, auf dem er die wieder gewaltige Installation „Over the River“ realisieren wollte, gehöre der Regierung in Washington. Er könne für diesen Eigentümer nicht arbeiten.
Damit ist der neue Präsident gemeint. Christo ist der bisher prominenteste bildende Künstler, der sich gegen Donald Trump stellt. Für die sechs Meilen lange Fluss-Überspannung soll der Reichstagsverzauberer bereits 15 Millionen Dollar ausgegeben haben. Das Projekt von Christo und Jeanne-Claude 2005 im Central Park, „The Gates“, zog vier Millionen Besucher an. Christo gehört nicht zu den Menschen, die aufgeben. Er hat einen langen Atem. Bürokratie und Politiker haben ihn nie von einem Vorhaben abgehalten. Unter normalen Umständen.
Kein Tag, keine Stunde ohne Schreckensmeldung
Aber die Normalität wird gerade ausgewechselt. Etwas Feistes tritt an ihre Stelle. Seit der Amtseinführung von Donald Trump entwickelt sich George Orwells Roman „1984“ zum Bestseller. Bei Amazon USA steht er auf Platz eins. In dem Klassiker der politischen Literatur spiegelt sich die Informationsstrategie der Trumpisten: Wahr ist falsch, und falsch ist wahr. Fakten stehen zur freien Verdrehung bereit, Gehirne werden regelmäßig gewaschen, wie Autos.
Christos Protest, Orwells posthumer Erfolg: Soll man sich nun darüber freuen oder erschauern? Es vergeht kein Tag, keine Stunde ohne Schreckensmeldung, ohne Trump-l’oeil: gezielte Sinnestäuschung. Das Modewort Dystopie, also die negative Vision, beschreibt eine hart spürbare, aber kaum begreifbare Realität.
Da wird ein Ort wie die American Academy am schönen Wannsee zum Refugium des Ausatmens. Die USA sind nicht Trump, und Trump ist nicht die USA: Die banale Formel füllt sich hier mit Sinn und Verstand.
Die Sorge und Wut wächst mit der Entfernung
Die Fellows für das Frühjahr 2017 präsentieren ihre Forschungsvorhaben. Sie sind für ein paar Monate nach Berlin eingeladen, um zu schreiben, zu recherchieren, nachzudenken. Vielen ist die Erleichterung anzumerken, dem Trumpismus eine Weile zu entkommen. In die Freude über die gelungene Flucht nach Europa, in ein lukratives Stipendium, mischt sich die Sorge um das eigene Land. Diese Sorge – und die Wut – wächst allerdings mit der Entfernung. Expats kennen den Schmerz. Trump macht krank. Wer um die 50, 60 ist, muss jetzt sagen: Da haben meine Landsleute einen Kerl gewählt, wenn auch nicht mehrheitlich, der all das wegreißt, wofür eine Generation gekämpft hat. Was die USA groß machte.
Und nun: die Bundesrepublik, das Land der Hoffnung. Ein sicherer Hafen, vergleichsweise. Zur Begrüßung der neuen Fellows spricht Katharina Lumpp, Vertreterin des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland. Hier werde Vorbildliches zum Schutz Geflüchteter geleistet, von staatlicher Seite, vor allem aber auch von den vielen freiwilligen Helfern. Lumpp spricht sich für eine „German leadership“ in der Frage der Migration aus. In Deutschland gehen die Zahlen der Geflüchteten zurück, global freilich nicht.
Rettet der Torpedo Boy die Welt vor Trump?
Unter solchen Prämissen entwickeln die Projekte der Fellows eine eigene Dynamik. Bei Virág Molnár von der New School for Social Research, New York, liegt es auf der Hand. Sie beschäftigt sich mit dem Aufstieg der Populisten und radikalen Nationalisten am Beispiel Ungarns. Harry Lieberson, Historiker aus Illinois, untersucht die Globalisierung der Musik seit Edisons Erfindungen. Seine Geschichte handelt von Wanderungen und Mischungen, Austausch und gegenseitigen Einflüssen. Geografisch oder ethnisch reine Musik gibt es nicht. Liebersohn erzählt von einem Mann, der Caruso zum Schallplattengeschäft brachte und sich dann nach Indien wandte. Paul Guyer von der Brown University, Rhode Island, forscht seit Jahrzehnten über die Grundlagen der Freiheit, am Beispiel Immanuel Kants. Moses Mendelssohn und Kant, so lautet sein Thema für Berlin.
Von der University of Wisconsin-Madison kommt Aili Mari Trip. Sie forscht über Frauenrechte in Nordafrika. Kate Brown aus Maryland schreibt an einer Chronik der Atomkatastrophe von Tschernobyl. Es soll ein prinzipielles Handbuch des Überlebens werden. Es gibt auch etwas leichtere Themen bei den Fellows. Mark A. Pottinger recherchiert über den Zusammenhang von romantischer Oper und den Naturwissenschaften in der ersten Hälfe des 19. Jahrhunderts. Trenton Doyle Hancock hat einen eigenen Superhelden entwickelt, den Torpedo Boy. Rettet er die Welt vor Trump?
Wer kommt in Zukunft an die Colleges?
Die Fellows geben keine direkten politischen Statements ab. Aber schon ihre Statur, ihre Forschungsfelder und Interessengebiete, ihre Biografien verraten: Das ist das Amerika, das die Trumpisten verachten. Nur gut plötzlich, dass die – sündhaft teuren – Bildungseinrichtungen in den USA nicht so sehr von staatlichen Mitteln abhängen. Aber wer kommt in Zukunft an die Colleges, mit was für einem Hintergrund, wenn das Schulsystem von brutalen Verdummern geentert wird?
So ein Academy-Abend macht Hoffnung. Welch ein geistiger Reichtum, welch eine Freiheit des Denkens. Das wird massiv gebraucht.