25. Festliche Operngala für die Deutsche Aids-Stiftung: Und zum Schluss ein Schuss Ballett
Auf der 25. festlichen Operngala führte ein gut gelaunter Max Raabe durch einen reizenden Arien-Abend.
Eine festliche Operngala mit Arien, schönen Roben und klirrenden Sektgläsern – sie würde seltsam sinnfrei in der Luft hängen, gäbe es nicht zuerst das „Schwarzbrot“: die Reden, in denen zur Sprache kommt, worum es hier eigentlich geht. Denn noch immer ist Aids nicht besiegt, werden Betroffene ausgegrenzt, und vor allem: In weniger glücklichen Ländern als Deutschland ist Aids immer noch eine Epidemie. Und weil Gesundheit und Sexualität immer auch politisch sind, ruft jeder auf dem Podium zur Verteidigung der offenen, toleranten Gesellschaft auf. Angesichts aktueller Erfolge von Rechtspopulisten und Autokraten weltweit, von Hate Speech und Lügen, die zu Wahlsiegen führen, ist das auch dringend notwendig.
Dietmar Schwarz, Intendant der Deutschen Oper, erzählt, dass er wieder viel häufiger auf Demonstrationen gehe als früher – weil es die Zeiten erforderten: „Die Würde des Menschen ist unantastbar – nicht die Würde des deutschen Menschen“, sagt er. Und Bob Geldof, mit Namibias First Lady Monica Geingos Preisträger des World Without Aids Awards 2018, preist Werte wie Solidarität und kindness, wie sie die Arbeit der Deutschen Aids-Stiftung auszeichnen.
Die Brücke zur Musik schlägt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, indem er an den Film „Philadelphia“ mit Tom Hanks erinnert. Umberto Giordanos Arie „La mamma morta“ aus „Andrea Chénier“, gesungen von Maria Callas, war die zentrale Filmszene.
Julia Lezhneva bleibt pointiert und plastisch
An die Callas, ihre Gestik, ihre einzigartige, sich selbst verzehrende Ausstrahlung möchte man sich auch beim Anblick Maria Mudryaks erinnert fühlen, die mit markant glitzerndem Sopran als Musette in Puccinis Pariser Dachgeschosswohnungsoper „La Bohème“ Marcello wiederzugewinnen sucht. „Ginge es nach der deutschen Energieeinsparverordnung, dürfte es ,La Bohème‘ gar nicht geben.“ Kein Zweifel, wer hier spricht: Max Raabe formulierte wieder kurz-knackige Einleitungstexte, die alle einem ähnlichen Rezept folgten: Versetze die Oper in den Behördensprech von Heute und die Lacher sind dir sicher.
Violetta Valéry, Protagonistin von Verdis „La traviata“, bevorzugt das „klar strukturierte Arbeitsprofil in einem Bordell“; der Römer Pollione bestellt Norma in Bellinis gleichnamiger Oper „zur Inspektion ein“. Auch wenn Raabe kleine Lässlichkeiten unterlaufen – er etwa vergisst, Alexander Tsymbalyuk für eine Arie aus dem „Barbier von Sevilla“ anzusagen – : Generell wirkt er recht gelöst, man hat ihn auch schon deutlich schlechter gelaunt, nahezu versteinert erlebt.
Einen dramaturgisch roten Faden hat das Programm nicht; gesungen wird, was die ohne Gage auftretenden Gäste im Repertoire haben. Es sind allesamt keine „Stars“ – ein Begriff, der sowieso verzichtbar ist, inflationär verwendet wird und im Klassikbereich außer für Anna Netrebko eigentlich immer unpassend ist. Aber alle singen sehr ordentlich, auch mitreißend, Julia Lezhneva zum Beispiel: Die russische Barock-Spezialistin ist in Berlin keine Unbekannte, sie ist im Kammermusiksaal aufgetreten, hat 2017 eine CD mit Arien von Carl Heinrich Graun eingesungen. Der reine Irrsinn, wie scheinbar mühelos sie sich durch die züngelnden Mikro-Koloraturen der Arie „Agitata da due venti“ schlängelt und dabei immer ganz pointiert und plastisch bleibt. Vivaldi lässt hier seine Protagonistin Griselda das Schicksal beklagen, das ihr einen fiesen, sadistischen königlichen Gatten bescherte. Großartig, wie Lezhneva das singt, doch auch ernüchternd. Wird die bedrängte Ehefrau durch die wilden Tonrückungen doch letztlich auch als Witzfigur skizziert. Aber über das Geschlechterverhältnis in der Oper sollte man sich generell keine Illusionen machen. Norma ergeht es ja ähnlich.
Dmytro Popov begeistert mit Operettenschmelz
Die wird gesungen von Olga Peretyatko, die sich in „Casta Diva“ zunächst zurückhält, leise beginnt, dann auch eher beiläufig zum dreigestrichenen C, dem höchsten Ton der Arie, aufsteigt. Beim zweiten Anlauf bereitet sie den Gipfelpunkt besser vor, als Einbettung und Krönung all dessen, was zuvor war.
Mit Martin Muehle kehren wir noch mal zur „Philadelphia“-Oper „Andrea Chénier“ zurück. Er singt die Titelfigur mit einem völlig angemessenen Schuss tenoraler Weinerlichkeit in der Stimme. Auch Einspringer Dmytro Popov begeistert mit Operettenschmelz und ungarisch-gedehnten Vokalen das Publikum in Lehárs „Dein ist mein ganzes Herz“. Der gewohnt sehr geschmeidig singende, von Jeremy Bines präparierte Chor der Deutschen Oper Berlin hat seinen eigenen Auftritt mit Verdis Gefangenenchor.
Sie alle werden begleitet vom Orchester des Hauses mit Enrique Mazzola am Pult, der am 1. Dezember – übrigens der Welt-Aids-Tag – die Premiere von Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ dirigieren wird. Feinsinnig und detailverliebt, poetisch und zugleich dramatisch-packend klingt das, mit reizenden Soli wie der Querflöte, die auf den Einsatz von Normas Stimme in „Casta Diva“ hinführt.
Kurz vor Schluss, für Luigi Arditis „Kusswalzer“ und Eduardo Di Capuas „O sole mio“, mischen dann plötzlich Tänzer des Opernballetts die Szene auf, bevor sich der Saal zur Zugabe in Strauss’ Radetzykmarsch kurzzeitig wie auf dem Wiener Neujahrskonzert fühlen darf. Nur das exakte Klatschen auf den Schlag darf gerne noch mal geübt werden.
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