Heino Coveralbum: Und wie du wieder aussiehst – und ständig dieses Blond
Schlagerstar im Ironie-Modus: Heino singt auf seinem Album „Mit freundlichen Grüßen“ deutsche Rock- und Pophits nach. Nie klangen Rammstein-Songs erträglicher.
Die Provokation lief ins Leere. Als Heino letzte Woche seine neue Single veröffentlichte und ankündigte, er werde ein ganzes Album mit Cover-Versionen deutscher Pophits herausbringen, blieb der von ihm wohl erhoffte, publicitywirksame Aufschrei der betroffenen Bands aus. Die „Bild“-Zeitung tat ihm zwar den Gefallen und erfand einen „Rockerkrieg“, weil die Ärzte und Rammstein angeblich sauer auf den Volksmusik-Sänger seien. Doch beide Berliner Bands schweigen demonstrativ zu der Sache. Rammstein veröffentlichten auf ihrer Website sogar eine Richtigstellung, in der es heißt, dass sie sich nicht äußern wollen.
Dabei wäre es für Die Ärzte, die eigentlich als eine der spaßigsten deutschen Rock-Kapellen bekannt sind, eine gute Gelegenheit gewesen, ihren Humor unter Beweis zu stellen. Durch eine ostentative Umarmung hätten sie Heino zudem den Schwung aus der PR-Kampagne nehmen können. Und man kann den 74-jährigen Sänger tatsächlich zu seiner Version des Ärzte-Stücks „Junge“ beglückwünschen. Schließlich erhält der erste und beste Song seines gerade erschienenen Albums „Mit freundlichen Grüßen“ durch die neue Interpretation einen kongenialen Plausibilitätsschub.
Wenn das Lamento eines Vaters über seinen Slacker-Sohn in Heinos Schlagerbariton erklingt, statt vom ewig jugendlichen Farin Urlaub, scheint die Perspektive plötzlich zu stimmen: „Und wie du wieder aussiehst/ Löcher in der Hose, und ständig dieser Lärm“. Heino zieht eine zweite Ironie-Ebene in den Song ein – indem er ihm vermeintlich alle Ironie entzieht. Dazu Easy-Listening-Pop mit Humpa-Humpa-Bläsern – „leider geil“, wie Deichkind sagen würden.
Hier können Sie in die Songs des neuen Albums hineinhören
Ähnlich gut funktioniert auch Heinos Adaption von Peter Fox’ „Haus am See“, das ja letztlich einen Spießertraum zum Thema hat: „Und am Ende der Straße steht ein Haus am See/Orangenbaumblätter liegen auf dem Weg/Ich hab 20 Kinder, meine Frau ist schön/Alle komm’n vorbei, ich brauch’ nie rauszugehn“. Wie Heino „raus“ mit einem Kiekser akzentuiert, wirkt überraschend Elvis-haft. Ähnlich kurzweilig klingt der Großteil der Platte, auf deren Cover überflüssigerweise eine gelbe Banderole mit der Aufschrift „Das verbotene Album“ prangt.
„Liebes Lied“ von den Absoluten Beginnern etwa bezieht seinen Witz daraus, wie Heino sich mit dem lässigen Flow von Eizi Eiz (heute: Jan Delay) abrackert. Statt des hohen nasalen Gesangs des Hamburgers ist nun Heinos tiefes Gegrummel zu hören, was vor allem im Refrain toll passt. Weniger überzeugend gerät der im Original von Denyo gerappte Teil, den Heino offenbar einfach nur hinter sich bringen will. Das Gefühl hat man auch bei „MfG“, der Abkürzungslitanei der Fantastischen Vier – Sprechgesang ist eindeutig nicht sein Ding.
Einst sang der in Düsseldorf als Heinz Georg Kramm geborene Sonnenbrillenträger Scheußlichkeiten wie „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ und nahm eine Platte mit allen drei Strophen des Deutschlandlieds auf. Heute beweist er mehr Stil und hat wohl auch bessere Berater. So sind die Coverversionen durchweg elegant arrangiert und von einer soliden Band zweckdienlich eingespielt. Anspruch war nicht, ein genialisches Spätwerk zu schaffen wie es Johnny Cash mit seinen „American Recordings“ gelungen ist. „Mit freundlichen Grüßen“ variiert eine knappe Dreiviertelstunde lang stets nur den Grundeinfall: Volksmusiksänger singt Popsongs nach, der stets Veräppelte veräppelt zurück.
Das haut nicht über die ganze Strecke hin, doch ein paar Mal zündet der Gag richtig prima. Etwa bei den Brachialrockern von Rammstein. Die liegen ohnehin nicht weit von Heino entfernt. So rollt deren Sänger Till Lindemann das „R“ mindestens genauso teutonisch wie er, und die Band bollert stets im stumpf-schlagerhaften Vier-Viertel-Takt vor sich hin. Schlauerweise treibt Heino ihrem Song „Sonne“ mit Akustikgitarre und Glockenspiel fast die gesamte Düsternis aus. Das Pathos im Refrain lässt er dafür extra-dramatisch strahlen. So erträglich klang lange kein Rammstein-Song mehr.
„Mit freundlichen Grüßen“ ist bei Starwatch Entertainment/Sony erschienen.