Potsdamer Garnisonkirche: Umstrittenes Wiederaufbauprojekt hat nun wissenschaftlichen Beirat
Paul Nolte wird Vorsitzender des Beirats beim Wiederaufbauprojekt der Garnisonkirche in Potsdam. Er verteidigt die Rekonstruktion gegen die Kritiker, die an die unrühmliche Rolle des Gotteshauses in der NS-Zeit erinnern.
Für die Stiftung Garnisonkirche in Potsdam wurde ein wissenschaftlicher Beirat berufen. Vorsitzender ist (zunächst kommissarisch) der Berliner Historiker Paul Nolte. Dem neunköpfigen ehrenamtlichen Gremium, das zunächst für vier Jahre berufen wurde, gehören außerdem an: Der Marburger Historiker Eckart Conze („Das Amt und die Vergangenheit“), der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Axel Drecoll, Rainer Eckert als ehemaliger Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig, die Kölner Professorin für Public History Christine Gundermann, die Erfurter Historikerin Christiane Kuller, die Direktorin des Einstein Forums Susan Neiman, der Göttinger Theologe Christian Polke und die Frankfurter Politikwissenschaftlerin Ines-Jacqueline Werkner. Die Finanzierung einer halben Mitarbeiterstelle für die Historikerin und Garnisonkirchen-Chronistin Anke Silomon übernimmt zunächst die Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche.
Der Beirat werde „mit der Stiftung in kritischer Loyalität“ verbunden sein, sagte Paul Nolte bei der Vorstellung des Beratergremiums am Freitag. Die Wiedererrichtung des 1968 von der SED gesprengten Kirchturms wurde vor einem Jahr begonnen und war von Protesten begleitet. Ob auch das Kirchenschiff wieder aufgebaut werden soll, ist noch offen.
Das Bauprojekt ist nicht nur bei Rekonstruktionsgegnern und -befürwortern umstritten, sondern auch wegen der unrühmlichen Rolle der Garnisonkirche im Nationalsozialismus. Sie war das einzige Gotteshaus im „Dritten Reich“, in dem Hitler eine Ansprache hielt, beim Festakt zum „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933. In der Weimarer Republik habe die Kirche immer wieder als „politische Bühne der Republikfeinde im Kampf gegen die erste deutsche Demokratie“ gedient, schrieb der Historiker Manfred Gailus im Tagesspiegel. Gleichzeitig steht das Projekt unter dem Motto „Geschichte erinnern, Verantwortung lernen, Versöhnung leben“.
Nolte: Kirche nicht auf Bedeutung für NS-Geschichte reduzierens
Zur Kritik etwa der Martin-Niemöller-Stiftung, die Verantwortlichen behaupteten eine zu große Distanz der Garnisonkirche zum NS-Regime, sagte Paul Nolte im Interview mit den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“, die Garnisonkirche lasse sich nicht auf ihre symbolische und reale Bedeutung für die Geschichte des Nationalsozialismus reduzieren.
Nolte plädiert deshalb für eine komplexe Sichtweise: „Dort liegen ja so viele Schichten der preußisch-deutschen Geschichte übereinander. Vom preußischen Absolutismus über die Aufklärungszeit bis zur Weimarer Republik, dann die nationalsozialistische Instrumentalisierung. Aber auch die Abrissgeschichte in der DDR. Und der Wiederaufbau selber ist ja auch schon ein Teil der Historie geworden.“ Geschichte erinnern, heiße für den Beirat auch, auf diese Überlagerung der Sediment zu schauen.
Den Kritikern des Wiederaufbaus rät Nolte: „Lasst uns nicht die Kämpfe von gestern nochmals kämpfen“, denn der Wiederaufbau finde ja bereits statt. „Also lasst uns darüber streiten, bringt euch ein, wie dieses Projekt gestaltet werden soll.“ Die Wiedererrichtung des Turms ist mit rund 36 Millionen Euro veranschlagt; über öffentliche Mittel und Spendengelder sind bislang 26 Millionen Euro finanziert. Die erste Sitzung des neuen Beirats soll im Herbst stattfinden.
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